Politik Erdogan will kompromisslos gegen Gegner vorgehen

Erhielt 96 Prozent Ja-Stimmen: Recep Tayyip Erdogan, der als einziger Kandidat für das Amt des AKP-Vorsitzenden angetreten war.
Erhielt 96 Prozent Ja-Stimmen: Recep Tayyip Erdogan, der als einziger Kandidat für das Amt des AKP-Vorsitzenden angetreten war.

«Ankara.» Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat seit gestern erneut das Amt des Vorsitzenden der Regierungspartei AKP inne. Erdogan kündigte ein kompromissloses Vorgehen gegen seine Gegner an.

Wenn dieser Kampf gegen Gegner der Regierung nicht entschieden geführt werde, drohe dem Land große Gefahr, sagte Erdogan gestern auf einem Sonderparteitag der AKP. Dank der neuen Regeln, die bei dem umstrittenen Referendum im April beschlossen wurden, darf der türkische Präsident anders als vorher auch Mitglied einer politischen Partei sein. Die jahrzehntelange Tradition, wonach der türkische Präsident als überparteiliche Instanz über der Tagespolitik stand, wurde mit der Annahme des Referendums aufgegeben. In seiner Parteitagsrede unterstrich Erdogan, er sei auch für Bürger da, die ihn nicht gewählt hätten. Niemand solle sich ausgegrenzt fühlen. „Mit harter Faust“ werde er jedoch gegen „Verrat“ vorgehen, sagte der Präsident mit Blick auf die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen, den er für den Putschversuch im vergangenen Sommer verantwortlich macht. Zur Entlassung und Festnahme von rund 150.000 mutmaßlichen Gülen-Anhängern seit dem Putschversuch sagte Erdogan, beim Kampf gegen Gülen solle mehr „Sensibilität“ an den Tag gelegt werden. Dennoch werde weiter mit Entschiedenheit gegen die Bewegung vorgegangen. Dasselbe gelte für den Kampf gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), bei dem es darum gehe, die Kurdenrebellen vollständig zu „vernichten“. Der nach dem Putschversuch verhängte Ausnahmezustand bleibt nach Erdogans Worten bis auf weiteres in Kraft. Kritik des Westens wies Erdogan zurück. Der Europäischen Union warf er vor, die Bewerbung des Landes um eine Mitgliedschaft in eine Sackgasse geführt zu haben. Am Mittwoch will der türkische Präsident in Brüssel mit den Spitzen der EU über die Zukunft der türkischen EU-Bewerbung sprechen. Die EU solle Wort halten, die Visapflicht aufheben und neue Verhandlungskapitel in den Beitrittsgesprächen eröffnen, verlangte Erdogan. Geschehe dies nicht, werde die Türkei ihren Weg alleine fortsetzen. Auf die erneute Forderung nach Einführung der Todesstrafe in der Türkei verzichtete der Präsident. Ein solcher Schritt wäre das Aus für die türkische EU-Kandidatur. Auch neue Drohungen im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsabkommen mit der EU blieben aus. Mit Erdogans Wiederwahl zum Parteivorsitzenden wird die AKP auf die Linie des Präsidenten gebracht. In zwei Jahren stehen Parlamentswahlen an. Im neuen AKP-Vorstand fehlen Politiker, die von Erdogan für das starke Abschneiden der Regierungsgegner beim Referendum verantwortlich gemacht wurden. Dafür rücken ausgesprochene Erdogan-Anhänger nach vorne. Aufmerksam wurde die Beförderung von Innenminister Süleyman Soylu in die AKP-Führung registriert. Der 47-Jährige dürfte als möglicher Nachfolger Erdogans aufgebaut werden. Der Parteitag zelebrierte einen Personenkult um Erdogan. Ministerpräsident Binali Yildirim dichtete einen berühmten Spruch von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk („Wie glücklich ist, wer sagen kann: Ich bin Türke“) auf Erdogan um: „Wie glücklich sind wir, die wir sagen können, dass wir die Weggefährten des Architekten der türkischen Erleuchtung, Recep Tayyip Erdogan, sind.“ Kurz vor dem Parteitag waren die Behörden gegen die Zeitung „Sözcü“ vorgegangen; es gab mehrere Festnahmen. Die drittgrößte Zeitung des Landes gehört neben „Cumhuriyet“ zu den wenigen Blättern in der Türkei, die Erdogan kritisieren. „Cumhuriyet“ war bereits in den vergangenen Monaten durch die Verhaftung namhafter Journalisten geschwächt worden. Kommentar

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