Ukraine-Krieg Durch Embargo drohen höhere Ölpreise

Das schwierigste Thema beim Ölembargo ist die über eine Pipeline versorgte PCK-Raffinerie in Schwedt (Brandenburg).
Das schwierigste Thema beim Ölembargo ist die über eine Pipeline versorgte PCK-Raffinerie in Schwedt (Brandenburg).

Die EU- Kommission will als Teil des sechsten Sanktionspakets ein Ölembargo gegen Russland verhängen. Deutschland hatte sich lange gegen diesen Schritt gesperrt, zuletzt aber große Fortschritte bei der Unabhängigkeit von russischem Öl gemacht. Ein Ausbleiben dieser Lieferungen wird an Deutschland aber sicher nicht spurlos vorübergehen.

Wie steht es aktuell um die deutsche Abhängigkeit von russischem Öl?
Deutschland ist deutlich unabhängiger geworden von russischem Öl: Die Bundesregierung legte Anfang Mai den zweiten Fortschrittsbericht Energiesicherheit vor – demnach sank die Abhängigkeit von russischem Öl auf zuletzt lediglich zwölf Prozent. Rund fünf Wochen zuvor hatte die Abhängigkeit noch bei 25 Prozent gelegen, im Vorjahr kamen 35 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdöls aus Russland. Mit Ausnahme des russischen Energiekonzerns Rosneft, der die für Ostdeutschland wichtige PCK-Raffinerie in Schwedt betreibt, seien die Mineralölunternehmen „mit einem gewissen Vorlauf“ in der Lage, ihren Bedarf ohne russisches Öl zu decken, heißt es in dem Bericht. „Die Beendigung der Abhängigkeit von russischen Rohölimporten zum Spätsommer ist realistisch.“

Welche Folgen wird das Embargo für die Wirtschaft haben?
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erwartet kurzfristig steigende Preise für Öl auf dem Weltmarkt. Die von der EU geplante Übergangsfrist sei aber „ausreichend lang, dass wir alle Vorkehrungen treffen können, um Alternativen für russisches Öl in Deutschland zu schaffen“, sagte er am Mittwoch. Die Raffinerie Schwedt nannte er eine „Herausforderung“ - die Bundesregierung werde den Standort aber erhalten, versprach der Minister. Die Leiterin des Ifo-Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen, Karen Pittel, erwartet keine dramatischen Auswirkungen auf die Wirtschaft. Durch die Vorlaufzeit bis zum Inkrafttreten der Sanktionen hätten die Märkte Zeit sich anzupassen, sagte auch sie. „Da ist schon einiges eingepreist. Die Erwartung der Märkte scheint aktuell, dass die Knappheit auf den Ölmärkten nicht besonders stark zunehmen wird“. Wie sich die Ölpreise durch ein Embargo konkret entwickeln werden, ist Pittel zufolge jedoch kaum vorherzusehen.

Ist die chemische Industrie und damit auch die BASF in Ludwigshafen besonders von dem Embargo betroffen?
Die deutsche Chemieindustrie befürchtet bei einem Öl-Embargo der EU gegen Russland weiter steigende Rohöl- und Rohstoffpreise. Zwar scheine die Versorgung über veränderte Bezugsquellen gesichert, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup, am Mittwoch. „Sorgen machen uns aber die dadurch zu erwartenden weiteren Preisanstiege für Rohöl und damit auch der Rohstoffpreise. Die Wettbewerbsfähigkeit der Branche wird mehr und mehr belastet.“ Der Verband unterstütze aber einen Boykott.

Erdöl – beziehungsweise der für die Chemie relevante Bestandteil Rohbenzin – ist den Angaben zufolge auf dem Weltmarkt aus verschiedenen Regionen verfügbar. Es müssten allerdings noch Probleme bei der Logistik innerhalb Deutschlands insbesondere zur Versorgung von Ostdeutschland gelöst werden. Die chemisch-pharmazeutische Industrie benötigt nach eigenen Angaben mehr als 14 Millionen Tonnen Naphtha (Rohbenzin) im Jahr. Daraus werden verschiedene Grundchemikalien erzeugt, zum Beispiel für die Herstellung von Kunststoffen, Chemiefasern, Medikamenten oder Autoreifen.

Welche Folgen wird das Embargo für Verbraucher haben?
Pittel sieht potenzielle Auswirkungen auf Verbraucher in Form steigender Spritpreise und einer höheren Inflation. „Insgesamt ist das sehr schwer zu prognostizieren“, betont die Ifo-Mitarbeiterin. Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, äußerte in der „Rheinischen Post“ die Erwartung, dass die Kraftstoffpreise weiter steigen. Für einkommensschwache Haushalte solle es deshalb Hilfen geben. Schon aktuell sind die Preise an Deutschlands Tankstellen im Vergleich zur vergangenen Woche stark gestiegen und liegen für Benzin und Diesel wieder über 2 Euro. Ein Liter Super E10 kostet aktuell im bundesweiten Durchschnitt 2,002 Euro, wie der ADAC am Mittwoch mitteilte. Das sind 4,8 Cent mehr als am vergangenen Mittwoch. Der Dieselpreis stieg um 5,6 Cent auf im Schnitt 2,075 Euro.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat angesichts des geplanten Ölembargos gegen Russland eine Verschiebung des geplanten Tankrabatts und des 9-Euro-Tickets gefordert. Es wäre „fatal“, wenn diese Maßnahmen im Oktober ausliefen und gleichzeitig der Beginn des Embargos die Preise in die Höhe treibe, betonte am Mittwoch die Teamleiterin Mobilität, Marion Jungbluth. Nötig seien zudem mehr Anstrengungen zum Energiesparen. „Hilfreich wären ein Tempolimit und die Förderung und Vernetzung von Mitfahrplattformen.“

Woher könnte alternativ Öl bezogen werden?
Anbieter auf dem Ölmarkt gibt es laut Pittel viele – neben Kasachstan und den Opec-Staaten bezieht Deutschland auch Öl aus Norwegen und Großbritannien, einen kleinen Anteil produziert Deutschland selbst. Voraussichtlich wird kein einzelner Anbieter allein die verbleibenden 12 Prozent der deutschen Rohölimporte ersetzen können, die derzeit noch aus Russland bezogen werden. Dieses Öl wird fast vollständig in der PCK-Raffinerie in Schwedt verarbeitet, die nach eigenen Angaben 90 Prozent der Versorgung mit Benzin, Kerosin, Diesel und Heizöl in Berlin und Brandenburg abdeckt. Die Überlegung sei nun, „alle Möglichkeiten zu nutzen, um eine Kompensation der Versorgung sicher zu stellen, das kann auch Bahn und Straße aus dem Westen in den Osten beinhalten“, sagte Pittel.

Denkbar sei zwar, dass die Raffinerie in Schwedt zeitweise die Produktion drosseln oder einstellen müsse. „Aber den Osten grundsätzlich mit Erdöl zu versorgen, da bin ich sehr zuversichtlich, dass die Bundesregierung da eine Lösung gefunden hat“, sagt Pittel. „Ansonsten denke ich nicht, dass man da zugestimmt hätte“.

Lesen Sie auch:

Weiter rasen für Putin?

x