Politik Die Prognose „harter Job“ hat sich erfüllt

Die Regierungsfraktionen von SPD, Linken und Grünen in Berlin haben sich auf einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung von möglichem Behördenversagen im Fall des Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri verständigt. Politisch im Fokus steht Innensenator Andreas Geisel.

Als Andreas Geisel Ende vergangenen Jahres den Posten des Berliner Innensenators übernahm, prophezeite Bodo Pfalzgraf, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft Berlin, dem 51-jährigen SPD-Politiker einen „harten Job“. Nur elf Tage später wurde dies zu einer besonders bitteren Wahrheit: Geisel eilte am Abend des Terroranschlags sofort zum Breitscheidplatz, spendete Trost, zeigte Mitgefühl, fand angemessene Worte. Dass der Attentäter und IS-Sympathisant Anis Amri ein guter Bekannter seiner Behörde war, wurde rasch bekannt. Der schnelle Fahndungserfolg verschaffte dem Neuling erst einmal Luft. Doch schon bald wurden erste Pannen bekannt: Der Tunesier Amri wurde in Berlin gefilmt, wie er im Oktober vergangenen Jahres den inzwischen verbotenen Fussilet-Moschee-Verein besuchte. Doch die Bilder wurden erst nach dem Anschlag vom 19. Dezember ausgewertet. Als vergangene Woche dann herauskam, dass Polizeidokumente im Landeskriminalamt (LKA) umdatiert worden sind, erklärte der in Ost-Berlin geborene Innensenator, er sei „auf Verschiedenes vorbereitet“. Inzwischen ist bekannt, dass es neben den Hinweisen auf veränderte Telefonprotokolle auch Hinweise auf gelöschte Namen aus Amris Umfeld im Drogenmilieu gibt. Nach Angaben von Geisel hatten Beamte den Tunesier mit Vermerk vom 1. November 2016 als gewerbs- und bandenmäßigen Drogenhändler eingestuft. Der nicht weitergeleitete Bericht hätte für einen Haftbefehl ausgereicht – das Massaker an der Gedächtniskirche wäre womöglich verhindert worden. Am 17. Januar ist dann ein neues Dokument mit einem gekürzten und veränderten Text erstellt worden, in dem es heißt, dass Amri nur „möglicherweise Kleinsthandel“ mit Drogen betrieben habe, rückdatiert auf den 1. November. Die Löschungen und die Abschwächung von Straftatbeständen werfen die Frage auf, ob ein solches Vorgehen im LKA System hat. Geisel, der als besonnen und beratungsoffen gilt, muss nun gegen die eigene Behörde ermitteln. Es soll jetzt eine 14-köpfige Task Force im LKA eingesetzt werden. Zudem wird ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingerichtet. Seine schnelle Anzeige wegen Urkundenfälschung und Strafvereitelung im Amt hat Geisel schon erste Kritik eingebracht wegen fehlender Abstimmung mit dem Generalstaatsanwalt. Auch der Sonderermittler Bruno Jost zeigte sich gestern skeptisch: bewiesen sei noch nichts. Aber es gibt auch kräftiges Lob für Geisel, weil er im Fall Amri rückhaltlos und zügig informierte und dabei den Spagat schaffte, die Berliner Polizei nicht pauschal an den Pranger zu stellen. Am Ende, das weiß Geisel, wird die Frage beantwortet werden müssen, warum die Akten manipuliert worden sind und wer außer den beiden suspendierten Beamten der Abteilung Staatsschutz dafür die Verantwortung trägt. Ansonsten gerät der Rot-dunkelrot-grüne Senat nach dem erzwungenen Abgang des Baustaatssekretärs Andrej Holm erneut in gefährliche Schieflage.

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