Kommentar Die Freundschaft mit Ruanda hat dem Horror getrotzt

Ein Freundeskreis aus Kaiserslautern half dabei, im ruandischen Ruli ein Krankenhaus aufzubauen.
Ein Freundeskreis aus Kaiserslautern half dabei, im ruandischen Ruli ein Krankenhaus aufzubauen.

30 Jahre nach dem Völkermord ist Ruanda heute eines der Länder mit den größten Entwicklungsfortschritten Afrikas. Und die gemeinsame Geschichte mit Rheinland-Pfalz zeigt: helfen ist besser als belehren.

Die Welt blickt dieser Tage nach Ruanda. 30 Jahre nach dem Völkermord an der Gruppe der Tutsi ist das Interesse an dem ostafrikanischen Land groß. Auch im Bundestag ist für diesen Donnerstag eine knapp 40-minütige Debatte angesetzt. Doch nicht immer geht es um die Frage, wie die Aufarbeitung des Horrors gelingt, der im April 1994 seinen Lauf nahm und innerhalb von 100 Tagen gut 800.000 Menschenleben kostete – und warum Europa und die USA damals so beharrlich wegsahen. Die Welt reibt sich aktuell verwundert die Augen, wie modern sich Ruanda inzwischen präsentiert.

Ausgerechnet das vom Völkermord traumatisierte Land ist heute ein wirtschaftlich erstaunlich starker Staat. Das Pro-Kopf-Einkommen ist mit durchschnittlich 890 Euro pro Jahr zwar gering, hat sich aber in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht. Nahezu 100 Prozent der Bevölkerung sind krankenversichert, die Straßen sind sauber, die Kriminalität gering. Zudem gibt es kaum Korruption. In der Hauptstadt Kigali entstehen internationale Luxushotels und Einkaufszentren, der Dienstleistungssektor boomt und die Infrastruktur ist vor allem in den Städten gut entwickelt.

Firmen investieren in Ruanda

Einige internationale Firmen haben das Potenzial bereits erkannt. Volkswagen produziert in Kigali Autos für den afrikanischen Markt; die Firma Mara stellt dort seit 2019 das erste in Afrika produzierte Smartphone her; und der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech will in Kigali ab 2025 Impfstoffe produzieren.

Doch die Medaille hat auch eine andere, eine dunklere Seite. Trotz aller wirtschaftlichen Erfolge lebt der Großteil der Bevölkerung, insbesondere auf dem Land, weiterhin in Armut. Mit knapp 14 Millionen Einwohnern ist das kleine Land sichtbar überbevölkert, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Im Gesundheitsbereich fehlt es an qualifiziertem Personal, auf 15.000 Menschen kommt im Schnitt nur ein Arzt. Und Staatspräsident Paul Kagame regiert seine Bürger seit Jahrzehnten mit harter Hand: Meinungs- und Pressefreiheit sowie Opposition werden brutal unterdrückt. Die offiziellen Gedenkfeiern zum Jahrestag des Genozids missbraucht er schamlos für Regierungspropaganda.

Andere blicken neidvoll auf dieses Erfolgsmodell

Rheinland-Pfalz blickt schon sehr lange nach Ruanda. Seit 1982 besteht eine enge Beziehung zwischen den ungleichen Partnern. Die Grundidee: eine Graswurzelpartnerschaft, gestaltet von den Kommunen und gesellschaftlichen Gruppen in beiden Ländern. Längst geht die Beziehung über die reine Entwicklungszusammenarbeit hinaus, ist zu einer Partnerschaft im alltäglichen, sozialen und kulturellen Leben geworden, von der beide Seiten profitieren. Andere Bundesländer blicken neidvoll auf dieses Erfolgsmodell, fragen nach und wollen das Konzept kopieren.

Und vielleicht liegt ja der Schlüssel zu diesem Erfolg paradoxerweise in jenem Horror vom April 1994. Denn während in Ruanda Freunde zu Feinden wurden, hielten die Menschen in Rheinland-Pfalz an der noch jungen Partnerschaft fest. Anstatt sich mit Entsetzen abzuwenden, halfen sie bei Versöhnung und Wiederaufbau.

Und vielleicht ist diese Geisteshaltung – helfen statt belehren – ja auch der Schlüssel dazu, die Menschen in Ruanda auch künftig dabei zu unterstützen, den richtigen Weg einzuschlagen: den Weg in eine demokratische Zukunft.

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