Politik Der Kanzler der Einheit

«Ludwigshafen/Speyer.»Helmut Kohl ist in seinem Haus in Ludwigshafen-Oggersheim gestorben. Seit einem Sturz und Schädel-Hirn-Trauma 2008 war Kohl schwer krank und saß im Rollstuhl. 2015 hatte sich sein Zustand deutlich verschlechtert, nach monatelangem Klinikaufenthalt kam er aber wieder zu Kräften. Im April 2016 hatte er zuhause in seinem Haus Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán empfangen. In Kohls 16-jährige Kanzlerschaft fielen die deutsche Einheit, wurde die Einführung des Euros beschlossen. Der Staatsakt zu Ehren des Altkanzlers wird voraussichtlich in seiner Heimat Rheinland-Pfalz stattfinden. Derzeit werde ein Termin mit dem Bundesinnenministerium abgestimmt, teilte die Staatskanzlei Rheinland-Pfalz gestern Abend mit. Als Ort seien Speyer oder Ludwigshafen im Gespräch. Als großen Staatsmann und Europäer haben Politiker den Altkanzler gewürdigt. Eine sichtlich bewegte Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete Kohl (beide CDU) als „Glücksfall für uns Deutsche“. Kohl habe erkannt, dass die Einheit Deutschlands und Europas untrennbar miteinander verbunden seien. Er habe die Gunst der Stunde genutzt, um die Wiedervereinigung herbeizuführen. „Ich verneige mich vor seinem Angedenken.“ Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erinnerte an Kohls Einsatz für die deutsch-französische Freundschaft. Kohl habe sie gepflegt „im Bewusstsein um den Großmut und die segensreiche Bereitschaft zur Versöhnung, die Frankreich unserem Land nach Ende des Zweiten Weltkrieges entgegen gebracht hat“. Die amtierende Bundesratspräsidentin und rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) nannte den Altkanzler eine der „herausragenden politischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts“. Als junger Landtagsabgeordneter, als jüngster Fraktionsvorsitzender und vor allem als jüngster Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz habe er entscheidende Beiträge zur Entwicklung und Modernisierung des Landes geleistet. Für den SPD-Vorsitzenden Martin Schulz hat Kohl „historische Weichen für Deutschland und Europa gestellt und sich Verdienste erworben, die Bestand haben und nicht vergessen werden“. Auch Cem Özdemir würdigte zum Auftakt des Grünen-Parteitags die Verdienste Kohls. „Ein großer Europäer ist von uns gegangen. Wir verneigen uns in großem Respekt vor Helmut Kohl“, so der Grünen-Parteichef. Der russische Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow bescheinigte Kohl, deutliche Spuren in der Weltgeschichte hinterlassen zu haben. „Die Deutschen haben Helmut Kohl den Spitznamen ,Kanzler der deutschen Einheit’ gegeben. Das ist richtig und gerecht“, sagte Gorbatschow, der selbst als einer der Väter der deutschen Einheit gilt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker reagierte auf Twitter: „Ich bin in großer Trauer über den Tod von Helmut Kohl, meinem engen Freund. Er hat mich auf allen europäischen Wegen geleitet und begleitet.“ Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte: „Er war ein großer Staatsmann, ein großer deutscher Politiker und vor allem ein großer Europäer.“ Der konservative französische Regierungschef Edouard Philippe schrieb: „Deutschland, Frankreich und Europa verlieren einen Fels.“ Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire äußerte sich auf Deutsch: „Der Tod von Helmut Kohl berührt mich sehr. Vater der deutschen Einheit und großer Europäer. Ein Mann des Friedens und Freund Frankreichs.“ Die CDU-Vizechefin Julia Klöckner nannte den Altkanzler einen „Ausnahmepolitiker der Geschichte“. „Als junger Wilder hat er damals die CDU erfolgreich reformiert und modernisiert wie kaum jemand nach ihm“, so die rheinland-pfälzische CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende. Der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck schrieb: „Für Europa, für Frieden zu arbeiten war ihm ein tiefgreifendes Bedürfnis, das hat man auch als politischer Gegner gespürt und respektiert.“ Auf die Verdienste Kohls für den Speyerer Dom wies der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann hin: „Er hat sich in außergewöhnlicher Weise um den Erhalt des Speyerer Domes verdient gemacht und entscheidend dazu beigetragen, Menschen für den Dom zu begeistern.“ Am Beispiel des Domes habe er Staatsgästen aus aller Welt die Bedeutung des christlichen Glaubens für ein Zusammenleben in Gerechtigkeit und Frieden verdeutlicht. Kohl stand bis zu seinem Tod dem Kuratorium der „Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer“ vor. Christian Schad, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche der Pfalz, erinnerte daran, dass Kohl seine landsmannschaftliche Herkunft nie verleugnet habe. „Für ihn war die Pfalz eine weltoffene Region, in der der Geist der Toleranz zu Hause ist. Den Respekt gegenüber unterschiedlichen politischen Überzeugungen und kulturellen Prägungen hat er bei aller Härte der sachlichen Auseinandersetzung nie verloren.“

x