Politik CSU und der Grenzstreit: Anpfiff zum Endspiel

Die CSU will Recht und Ordnung an den deutschen Grenzen. Behauptet sie. Viele in Bayern meinen aber: Sie will beim Aufräumen nicht bei der Grenzfrage stehenbleiben. Es geht ihr auch um Personen, mutmaßlich ist sie bereit, sogar Kanzlerin Merkel zu stürzen.

Eine Woche ist die jüngste Umfrage alt. Und schon wieder muss die CSU aus ihr herauslesen, dass das alles nichts bringt, was sie in Bayern veranstaltet und verspricht: Die Amtsübergabe von Horst Seehofer an die Windmaschine Markus Söder vor drei Monaten – folgenlos. Die Regierungserklärung des Neuen mit protzigen Wahlgeschenken, viele hundert Millionen Euro schwer – nichts wert. Der Kreuz-Erlass zur Stärkung bayerischer Identität: na gut, Applaus im Volk. Aber keine zusätzlichen Wählerstimmen. Mit 41,1 Prozent könnte die CSU bei einer Landtagswahl derzeit rechnen. Das ist nicht nur weit entfernt von der absoluten Mehrheit, die man als eigene Existenzgrundlage definiert. Da bewegt sich seit Wochen auch nichts nach oben, gar nichts. Tendenziell – wenn auch innerhalb der natürlichen Unschärfen jeder Umfrage – geht es sogar abwärts. Der Haupt- und Angstgegner jedoch, die AfD, sie hat um 1,5 Punkte zugelegt und könnte mit 13,5 Prozent zweitstärkste Kraft im Landtag werden. Vier Monate vor der Landtagswahl sind deshalb Panik und Unmut ausgebrochen, nicht nur in der CSU-Zentrale, sondern auch im Parteiapparat. Das allein würde die unerhörte Härte erklären, mit der die CSU derzeit beim „Kernthema unserer Wähler“, bei Asyl und Zuwanderung, ihre Position durchsetzen will, indem sie einen Streit mit der CDU-Schwester vom Zaune bricht, wie es ihn lange nicht gegeben hat. „Sicherheit, Recht und Ordnung“ müssten an den Grenzen (wieder) hergestellt werden, sagt etwa der Fraktionschef im Landtag, Thomas Kreuzer. Warten könne man nun nicht mehr, nachdem CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel „schon vor 877 Tagen eine europäische Lösung versprochen“ habe und diese bis heute schuldig geblieben sei. „Die Zeit des Redens ist vorbei“, sagt CSU-Generalsekretär Markus Blume, der im Streit mit der CDU nicht mal mehr einen Vermittler akzeptieren will: „Wir brauchen endlich eine echte Asylwende.“ Der eigene Parteichef, Bundesinnenminister Horst Seehofer, habe den „Masterplan“ dafür ja entwickelt und sei einzig an Merkel gescheitert, sagt man in der CSU. Beim Parteivorstand am kommenden Montag, kündigen alle an, werde es „uneingeschränkte Unterstützung“ für Seehofer geben. Und für die Machtprobe mit Merkel. Ministerpräsident Söder sieht „das Endspiel um die eigene Glaubwürdigkeit“ angepfiffen. Kommt’s zum Bruch in Berlin? Söder lässt das in der Schwebe, aber Fraktionschef Kreuzer versichert: „Die CSU will nicht aus der Bundesregierung aussteigen oder die Fraktionsgemeinschaft aufkündigen. Diese Frage stellt sich nicht. Es geht um die Sicherung der Grenzen.“ Kreuzer sagt auch, er werde Seehofer „nicht raten, in der Sache nachzugeben.“ Dass die CSU diesmal auf einen Kompromiss einschwenken könnte, glaubt in München sowieso keiner mehr. Wenn aber Merkel genauso hart bleibt? Landespolitische Beobachter in München sind sich mittlerweile weitgehend einig: Der CSU geht es gar nicht um einzelne Punkte aus Seehofers „Masterplan“. Sie legt es auf eine größere „Trophäe“ an: auf den Sturz der Kanzlerin. Auch aus dem Parteiapparat hört man: Erst wenn Merkel weg sei, oder besser: wenn man es geschafft habe, sie als Mutter einer im breiten Volk verhassten Flüchtlingspolitik wegzudrängen, könne man als CSU wieder die Glaubwürdigkeit und die Durchsetzungsstärke für sich reklamieren, die zum Wahlerfolg im Oktober reiche. Zur Bundestagswahl vor einem Jahr hatte die AfD – genau vor der CSU-Zentrale auch noch – Plakate mit dem Slogan aufgehängt: „Die AfD hält, was die CSU verspricht.“ Das war als Hohn gedacht, und das, so sagt die Leiterin der staatlichen Akademie für Politische Bildung in Tutzing, Ursula Münch, „sitzt noch ganz tief in der CSU drin“. Die Partei war nach einem harten Anti-Merkel-Kurs auf die Kanzlerin eingeschwenkt – eine Annäherung, der man hinterher das schlechte Wahlergebnis zuschrieb. Das soll kein zweites Mal passieren. Dabei, so Münch, denke die CSU nicht nur an die Anhänger der AfD: „Das braucht man auch für die Glaubwürdigkeit gegenüber sich selber.“ Seehofer wisse, sagt Ursula Münch, dass die Kanzlerin nicht auf seine Linie umschwenken werde. Deshalb werde die CSU nun wohl Merkels Partei bearbeiten – und übers Wochenende „viele Gespräche“ mit CDU-Politikern führen, um Druck aufzubauen, „und um zu erreichen, dass die CDU mehrheitlich die Kanzlerin fallen lässt“. Der Frage, ob man es auf eine „Trophäe Merkel“ anlege, ist Fraktionschef Thomas Kreuzer gestern übrigens ausgewichen: Es gehe nicht um Personen, sondern „um die Sache“. Ihrerseits aber müsse Angela Merkel „überlegen, was es für Folgen hat, wenn wir die Probleme an den Grenzen nicht in den Griff kriegen“.

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