Zweibrücken Freie Wähler zum Outlet: Schneiden uns ins eigene Fleisch

Ein ganz normaler Tag im Zweibrücker Outlet Ende 2019. Im Rekordjahr kamen 4,1 Millionen Besucher. 296.000 nutzten die Gelegenhe
Ein ganz normaler Tag im Zweibrücker Outlet Ende 2019. Im Rekordjahr kamen 4,1 Millionen Besucher. 296.000 nutzten die Gelegenheit an verkaufsoffenen Sonntagen.

Die Freien Wähler vor Ort und in Mainz liegen über Kreuz. Die Landtagsfraktion drängt mit Hinweisen aus der BGH-Verhandlung zu den verkaufsoffenen Sonntagen im Outlet die Landesregierung zum Handeln. Die Zweibrücker sind stramm dagegen.

Nach der Verhandlung des Bundesgerichtshofs (BGH) in Sachen Sonderöffnungszeiten Outlet Zweibrücken am 17. Mai wollen die Freien Wähler im rheinland-pfälzischen Landtag ihre erwogene Normenkontrollklage vorm Verfassungsgerichtshof zurückstellen. Das erklärte der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Stephan Wefelscheid, gegenüber der RHEINPFALZ. Wefelscheid ist auch Landesvorsitzender seiner Partei.

Die Landtagsfraktion der Freien Wähler setzte, wie vielfach berichtet, die Ausnahmeregelung der verkaufsoffenen Sonntage in Zweibrücken wiederholt auf die Tagesordnung des Landtags. Die Freien Wähler sehen in der durch eine Verordnung der Regierung zum Ladenöffnungszeiten-Gesetz eröffneten Möglichkeit, rund um den seit 2014 nicht mehr von Linienflugzeugen angesteuerten heutigen Sonderlandeplatz Zweibrücken an bis zu zwölf Sonntagen zusätzlich im Jahr Waren des touristischen Bedarfs zu verkaufen, eine nicht hinzunehmende Wettbewerbsverzerrung zulasten auch weit entfernt sitzender Einzelhändler. Der Grünstadter Modehändler Steffen Jost hatte stellvertretend für alle Mieter des Fashion Outlets Zweibrücken das Unternehmen Betty Barclay verklagt, war aber 2021 zunächst vorm Landgericht Zweibrücken, dann vorm Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken, unterlegen. Er ging in Revision zum höchsten deutschen Gericht. Der BGH verhandelte die Revision in der vergangenen Woche – ohne gleich zu urteilen.

Landtagsfraktion wartet auf „Segelanweisung“

Durch ihre Stellung in der rheinland-pfälzischen Verfassung, können Fraktionen im Landtag gegen von ihnen monierte, grundlegende Rechtsakte der Regierung Normenkontrollklage vorm Verfassungsgerichtshof des Landes erheben. Im konkreten Fall wollen die Freien Wähler die Landesverordnung in der jetzigen Form kippen, die Mainzer Regierung dazu bringen, die „Lex Zweibrücken“ darin zu streichen. Noch wurde aber keine Klage erhoben.

Den Fortgang der Zivilklage verfolgt man derweil in Mainz mit Interesse. Die Landtagsfraktion der Freien Wähler sieht ihre Auffassung und auch die von Kläger Jost durch Hinweise der BGH-Richter während der Verhandlung bestätigt. Die Tendenz des BGH sei klar, erklärt Stephan Wefelscheid. Man wolle aber nun zunächst die „Segelanweisung“ in dem für den 27. Juli angekündigten Revisionsurteil abwarten, sehen, was den OLG-Richtern für eine Neuverhandlung aufgetragen werde. Eine Rückverweisung an das OLG sei sicher, sagt Wefelscheid, von Beruf Rechtsanwalt. Ausgehend von den Anweisungen, werde dann „gegebenenfalls vonseiten der Freien-Wähler-Landtagsfraktion eine Vorlage an den Verfassungsgerichtshof erfolgen oder nicht“. Die Fraktion der Freien Wähler sieht die Landesregierung am Zug, die ihre zugesagte Prüfung der Verordnung, auf der die zusätzlichen Verkaufsoffenen in Zweibrücken gründen, nun abschließen müsse. Die Fraktion werden einen Bericht der zuständigen Ministerien einfordern, so Wefelscheid. „Der Ball liegt derzeit ganz im Spielfeld der Landesregierung. Sie hat es in der Hand, zu handeln, und sollte die Chance ergreifen (…), bevor Gerichte dies tun müssen“, erklärte Stephan Wefelscheid.

2019: Knapp 300.000 kamen zu den Verkaufsoffenen

Die Freie-Wähler-Gruppe Zweibrücken wie auch der Kreisverband Südwestpfalz der Partei Freie Wähler vertreten eine andere Position. Sie sähen die verkaufsoffenen Sonntage in den Sommer- und Herbstferien gerne erhalten, vor allem aus regionswirtschaftlichen Gründen. „Das Outlet braucht die Verkaufsoffenen, und auch unsere strukturschwache Region braucht sie. Sie bringen gezielt an Sonntagen in den Ferienzeiten echtes Zusatzgeschäft in die Region, von dem weit mehr Gewerbetreibende als das Outlet profitieren“, sagt Monika Mischke, die Vorsitzende der im Stadtrat vertretenen Freien-Wähler-Gruppe Zweibrücken. Dagegen zu sein, heiße, sich ins eigene Fleisch zu schneiden. Eine Normenkontrollklage der Landtagsfraktion lehnt Mischke wie auch der Kreisvorsitzende Südwestpfalz der Freien Wähler, Peter Sammel, ab.

2019, im letzten Vor-Corona-Jahr, kamen laut einer Wirtschafts- und Tourismusstudie der IQ Projektgesellschaft München, die Gegenstand des laufenden Genehmigungsverfahrens zur Outlet-Erweiterung ist, an damals 15 verkaufsoffenen Sonntagen – vier davon zusammen mit dem Gemeinsamhandel Zweibrücken in der Innenstadt – rund 296.000 Besucher ins Outlet, 7,2 Prozent des Jahresaufkommens von damals 4,1 Millionen Outlet-Besuchern. Knapp 20 Prozent – 18,9 – nahmen dabei eine Anfahrt von mehr als 60 Minuten Dauer in Kauf, bezeichneten sich selbst als Tagesausflügler. Von denen jeder laut Studie zusätzlich zu den Einkäufen im Outlet im Durchschnitt 28 Euro in der Region ließ. Der zusätzliche, regionalen Unternehmen zugutekommende Umsatz durch die „Outlet-Touristen“ an verkaufsoffenen Sonntagen wird in der Studie auf 1,4 Millionen Euro im Jahr veranschlagt. Die meisten Outlet-Sonntagsausflügler verbänden ihren Einkauf mit weiteren touristischen Aktivitäten. Was zu nennenswerten regionalökonomischen Effekten, auch bei den Nachbarn von Zweibrücken, führe.

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