Ludwigshafen Bluttat-Prozess: Zeugen berichten über erschütternde Details

Die Papierakten für den gestrigen Verhandlungstag auf dem Schreibtisch der Vorsitzenden Richterin Mirtha Hütt.
Die Papierakten für den gestrigen Verhandlungstag auf dem Schreibtisch der Vorsitzenden Richterin Mirtha Hütt.

Sechster Prozesstag zu den Messerattacken in Oggersheim: Zeugen berichten, wie ein tödlich verletztes Opfer um Hilfe bat. Eine Anwohnerin überrascht mit makabren Details zum Umgang des Täters mit dem abgetrennten Arm eines weiteren Opfers. Der Angeklagte bleibt regungslos.

Die Bluttat vom 18. Oktober in Oggersheim mit zwei Toten und einem Schwerverletzten wird einmal mehr beim Prozesstag am Montag vor dem Landgericht Frankenthal durchlebt: Ein Krankentaxifahrer aus Heppenheim schildert, wie sich ein 35 Jahre alter Handwerker in Malerkleidung mit einer klaffenden Wunde am Hals hilfesuchend an ihn wandte. „Er lief direkt an mir vorbei und bat um Hilfe“, erzählt der Zeuge. Wenige Schritte weiter sei er leblos zusammengebrochen. „Ja, ja“, antwortet er auf die Frage von Richterin Mirtha Hütt, ob er den Eindruck gehabt habe, der Mann sei im Begriff zu sterben.

Während sich der Krankentaxifahrer um seine verängstigte Passagierin kümmert, kehrt der Täter zurück. Der Somalier sei zwischen zwei Frauen hindurchgelaufen, die er unbehelligt gelassen habe, erzählt der Mann. Da war der Täter offenbar auf dem Weg zum zweiten Tatort, dem Drogeriemarkt in der Comeniusstraße, wo er sein drittes Opfer niederstach.

Noch vor der Polizei war eine Notfallsanitäterin am ersten Tatort, die als weitere Zeugin aussagt. Vor Ort stieß sie auf das 35-jährige Opfer, das auf der Straße lag. „Ich traf den Mann reglos an, die Pupillen schon geweitet, in einer großen Blutlache.“ Auf Weisung des Notarztes sei er reanimiert worden, „ein Erfolg war aber unwahrscheinlich“. Aus der massiven Verletzung am Hals schloss die Ersthelferin, dass eine große Arterie durchschnitten worden sein musste. Das Opfer ist im Krankenhaus für tot erklärt worden.

Rentner als Bedrohung?

Der 27-jährige Kunde aus dem Drogeriemarkt überlebte die Messerattacke schwerverletzt und nimmt an der Verhandlung teil. Vom ersten Prozesstag an sind auch die Witwe, die Eltern und die Schwester des 35-jährigen Handwerkers gekommen, dessen Ermordung sich der Verhandlungstag am Montag überwiegend widmet. Äußerlich gefasst und konzentriert verfolgen sie die Vernehmung. Meistens gelingt es ihnen, die Fassung zu bewahren.

Der Somalier hat bereits zum Prozessauftakt die Taten gestanden. Als Motiv gab er an, dass er seine Familie beschützen wollte, die bedroht worden sei. Die Anklage wirft ihm hingegen vor, dass er nach der Trennung von seiner Partnerin und deren Kindern in übersteigerter Eifersucht zum Messer gegriffen habe. Er habe vermutet, dass sie einen neuen Partner habe und deshalb gezielt junge, weiße Männer angegriffen.

Deshalb ist am Mittwoch die Vernehmung eines Nachbarn seiner Ex-Partnerin von Interesse. Diesen Nachbarn hatte der Angeklagte bezichtigt, seine „Familie“ zu bedrohen. Beim Prozessauftakt hatte er behauptet, der Nachbar gehöre zu der Sorte junger, weißer Männer, die eine Bedrohung für die Frau und ihre beiden Töchter darstellten. Er habe mit diesem Nachbarn verbal im Clinch gelegen – angeblich über geöffnete Fenster über zwei Etagen hinweg. Gesehen habe er ihn nicht. Die Zurufe hätten aber gereicht, um den Mann als Bedrohung zu sehen.

Vor Gericht stellte sich dieser Nachbar am Mittwoch als 67 Jahre alter Rentner heraus, der mit seiner Frau in der Wohnung über der Ex-Partnerin des Angeklagten wohnte. „Ich kenne die Frau nur vom Sehen, habe nie ein Wort mit ihr gewechselt“, gibt der Zeuge zu Protokoll. Das passt nicht zur Darstellung des Angeklagten.

Der Tatort
Der Tatort

„Oh Gott, da liegt ein Arm“

Erschütternd ist die Aussage einer weiteren Nachbarin der Ex-Partnerin. Sie hat beobachtet, wie der Angeklagte den abgetrennten Unterarm eines seiner Opfer auf den Balkon im ersten Stock der Wohnung der Frau in der Nähe des Tatorts geschleudert hatte. Dies sei nicht auf Anhieb gelungen, zwei-, dreimal sei das Körperteil an der Brüstung abgeprallt und zurückgefallen. „Mein erster Gedanke war: Das ist kein Arm, wo soll er den herhaben?“, erzählt die Augenzeugin, die zufällig auf ihrem Balkon stand. Erst als eine weitere Nachbarin dazu kam, entfuhr es ihr: „Oh Gott, da liegt ein Arm.“ Diese Nachbarin habe sie etwa zwei Wochen vor den Taten vor dem Somalier gewarnt, erklärt die Frau im Zeugenstand weiter. Er sei mehrfach vor dem Haus seiner Ex-Partnerin herumgeschlichen, habe gedroht, diese umzubringen. Die 34-Jährige ist nach der Bluttat mit ihren Kinder an einen geheim gehaltenen Ort umgezogen.

Mehrere Vorstrafen

Während des Prozesses ist auch das Vorstrafenregister des Angeklagten offengelegt worden. Es beinhaltet vier Einträge, alle mit Geldstrafen belegt. Zum einen wegen kleinkrimineller Aktivitäten wie Ladendiebstahls und Hausfriedensbruchs in seiner Unterkunft in Neustadt; aber auch eine Strafe, nachdem seine Ex-Partnerin Anzeige wegen Körperverletzung und Beleidigung gestellt hatte. Bei einem dieser Vorwürfe zeigte der Angeklagte einen seiner raren Gefühlsausbrüche. Er weist den Diebstahl von vier Getränkedosen aus einem Supermarkt zurück; diese seien schließlich im Rucksack seines Bekannten gefunden worden. Hingegen räumt er den Diebstahl zweier Jacken in Heidelberg ein. Den Vorfall, den seine frühere Partnerin anzeigte, stellt er anders dar: Nicht er habe sie bedrängt. Vielmehr habe er die Frau abwehren wollen, weil sie ihn mit einem Messer bedroht habe.

Über diese Regung hinaus bleibt der an Händen und Füßen gefesselte Mann meist regungslos, streicht sich bei den Zeugenaussagen auffällig oft mit beiden Händen übers Gesicht. So auch am Montag, als eine weitere Zeugin erzählt, wie der tödlich getroffene Handwerker an ihr vorbeiwankte. „Wenige Schritte weiter ist er blutüberströmt umgefallen wie ein Sack, hat sich noch nicht mal mit den Händen abgestützt.“ Ihre Beobachtungen lassen die Frau nicht los: „Man geht mit Angst aus der Haustür, schaut immer wieder in Richtung Tatort.“

Die Verhandlung wird nach den Osterferien Mitte April fortgesetzt. Dann sollen auch Zeugen aus dem Drogeriemarkt gehört werden.

Mehr zum fünften Prozesstag lesen Sie hier.

Nach der Debatte um die Verteilung von Spendengeldern infolge der Bluttat von Oggersheim hat sich der Bau- und Grundstückausschuss am Montagabend in nicht-öffentlicher Sitzung auf ein neues Verfahren verständigt. Mehr dazu hier.

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