Untersuchungsausschuss Wirecard: Woche der Wahrheit

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier musste am Dienstag dem für den Wirecard-Skandal zuständigen Bundestags-Untersuchungsaus
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier musste am Dienstag dem für den Wirecard-Skandal zuständigen Bundestags-Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen.

Viele haben womöglich schon vergessen, dass es noch andere Themen gibt im politischen Berlin außer Kanzlerkandidaturen und Corona-Pandemie. Die Aufklärung des Skandals um den Finanzdienstleister Wirecard gehört dazu.

Von einem Showdown ist in Berlin die Rede, von einer Woche der Wahrheit. Für die Aufarbeitung, wie es zum milliardenschweren Skandal um Wirecard kommen konnte, ist es die heiße Phase: Bis Freitag werden sich im zuständigen Bundestags-Untersuchungsausschuss führende Regierungsmitglieder förmlich die Klinke in die Hand geben. Die Abgeordneten im Ausschuss werden sie als Zeugen befragen um zu ergründen, warum Politik, Aufseher und Prüfer das einstige Vorzeigeunternehmen aus Aschheim bei München über Jahre hinweg mit Samthandschuhen anfassten – und ob dadurch die Betrügereien des Managements erst möglich wurden.

Am Dienstag waren Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Digital-Staatssekretärin Dorothee Bär (CSU) geladen. Am Mittwoch werden Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) und Finanzstaatssekretär Jörg Kukies vor dem Ausschuss erwartet. Am Donnerstag muss sich SPD-Finanzminister und Kanzlerkandidat Olaf Scholz den Fragen stellen, am Freitag Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie alle waren in der einen oder anderen Form mit Wirecard oder den Aufsichtsbehörden befasst. Der Umstand, dass die Kanzlerin Ende der Woche vernommen wird, habe allein „protokollarische Gründe“ und keine politischen, versicherte der FDP-Obmann im Untersuchungsausschuss, Florian Toncar, am Dienstag.

Rolle Bärs „überschaubar“

Die Befragung Bärs und Altmaiers begann am späten Nachmittag. Die Rolle Bärs im Wirecard-Komplex sei „überschaubar“ gewesen, sagte Toncar vorab. Sie hatte vor dem Zusammenbruch des Unternehmens versucht, dem einstigen, mittlerweile in U-Haft sitzenden Konzernchef Markus Braun einen Termin bei Merkel zu vermitteln. Der kam aber nicht zustande.

Altmaier ist politisch zuständig für die Wirtschaftsprüfer-Aufsicht Apas. Dieser blieb lange verborgen, dass die Prüffirma EY beim einstigen Dax-Konzern offenbar über Jahre hinweg geschlampt hatte. „Der Minister wusste, dass die Behörde nicht perfekt arbeitete“, monierte FDP-Vertreter Toncar.

Scholz’ Rolle bei Wirecard mit Auswirkungen auf Kanzlerkandidatur?

Die größte politische Sprengkraft dürften die Auftritte von Finanzstaatssekretär Kukies am Mittwoch und von Finanzminister Scholz am Donnerstag haben: Scholz will Bundeskanzler werden, sieht sich aber mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sein Ministerium viel zu lange eine schützende Hand über den Konzern hielt. Das könnte im anstehenden Bundestagswahlkampf noch äußerst unangenehm werden. Staatssekretär Kukies soll rund um die Insolvenz 2020 noch an Rettungskonzepten für Wirecard gearbeitet haben. Minister Scholz wiederum wird erklären müssen, warum sein Haus so lange an Wirecard glaubte und warum er selbst nicht energischer tätig wurde, als sich Berichte über Unregelmäßigkeiten häuften. Kanzlerin Merkel soll schildern, warum sie sich im Herbst 2019 trotz einschlägiger Verdachtsmomente anlässlich einer China-Reise persönlich bei der Führung in Peking für Wirecard stark machte.

Vorzeige-Konzern ist Betrugsmaschine

Wirecard galt lange Zeit als deutsches Vorzeige-Finanztechnikunternehmen und Börsenstar. Im Sommer 2020 räumte das Unternehmen ein, dass es über Jahre hinweg seine Bilanzen manipuliert und Vermögenswerte im Umfang von fast 2 Milliarden Euro frei erfunden hatte. Wenig später stellte der Konzern einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Geldgeber und Aktionäre verloren durch die Pleite Milliarden, auch viele Kleinanleger sind betroffen. Aus Sicht der Ermittler war Wirecard eine gigantische, weltweit tätige Betrugsmaschine mit besten Kontakten ins Geheimdienstmilieu. Diverse Ex-Manager sitzen in Haft. Nach dem früheren Vorstand Jan Marsalek wird weltweit gefahndet.

Im Zusammenhang mit der Wirecard-Pleite und mutmaßlichen Versäumnissen rollten bereits Köpfe: Die Chefs der Finanzaufsicht Bafin, der Wirtschaftsprüferaufsicht Apas und der Deutschland-Chef der Prüfungsgesellschaft verloren ihre Jobs.

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