Rheinpfalz „Riesling-Mathematik“

91-92780803.jpg

NEUSTADT. Sechs Tagesordnungspunkte lang ging es gestern bei der Bezirkstagssitzung im Hambacher Schloss moderat zu. Doch beim Tagesordnungspunkt 7 „Wahl von Gremienmitgliedern“ war es vorbei mit dem vorweihnachtlichen Harmonie: Nach dem Votum des Pfälzer Parlaments wird die SPD-Fraktion nur noch mit einem Sitz im Aufsichtsrat der Pfalzwerke AG vertreten sein – genauso wie die deutlich kleineren Fraktionen von Grünen und Freien Wählern (FWG).

Als Hauptaktionär stehen dem Bezirksverband Pfalz sechs der zwölf Sitze im Pfalzwerke-Aufsichtsrat zu. Der Bezirkstagsvorsitzende Theo Wieder (CDU) gehört von Amts wegen diesem Gremium an. Bleiben fünf Sitze, die nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu verteilen sind. Noch nie gab es Probleme, genügend „Freiwillige“ für diese Aufgabe zu finden. Schließlich ist die Pfalzwerke AG das große Stromversorgungsunternehmen der Region. Entsprechend fällt seinem Aufsichtsrat eine verantwortungsvolle Tätigkeit zu. Diese Arbeit wird auch ordentlich honoriert. Dem Pfalzwerke-Geschäftsbericht lässt sich zwar nicht entnehmen, wie viel ein bestimmtes Mitglied erhält, aber es werden die zusammengezählten Bezüge aller Aufsichtsräte genannt: 2015 waren das 173.000 Euro. Der Anregung des Bezirkstagschefs, einen gemeinsamen Wahlvorschlag aufzustellen, folgten CDU, SPD, Grüne und Linke. Auf dieser Liste finden sich je zwei Vertreter von CDU und SPD, die seit 2014 eine große Koalition im Bezirkstag bilden. Als größte Oppositionspartei sind die Grünen ebenfalls auf dem Vorschlag vertreten. Schließlich hätten sie mit ihren drei Bezirkstags-Mandaten nach dem geltenden Sitzverteilungsverfahren „Sainte-Laguë/ Schepers“ auch aus eigener Kraft ein Mandat erzwingen können. Damit wären FWG, FDP und die beiden aus der AfD ausgetretenen Bezirkstagsmitglieder leer ausgegangen. Dem aktuellen Pfalzwerke-Aufsichtsrat gehören neben Theo Wieder zwei weitere Christ- sowie zwei Sozialdemokraten und mit Günter Eymael auch ein FDP-Mann an. Denn bei der letzten Aufsichtsratswahl wurde der Bezirksverband noch von einer CDU-FDP-FWG-Koalition regiert. Bei der Bezirkstagswahl 2014 errang die FWG zwei und die FDP nur einen Sitz. Beide Gruppierungen gingen in die Opposition. Damit war klar, dass Eymael bei der nächsten Aufsichtsratswahl chancenlos sein würde. Und weil die Freien Wähler mit ihren beiden Stimmen keinen Sitz in diesem Gremium erzwingen können, ließ sich Eymael hinter Manfred Petry (FWG) zur Unterstützung auf Platz zwei des FWG-Vorschlags setzen. SPD-Fraktionschef Günther Ramsauer verwahrte sich gestern im Bezirkstag gegen den von Petry in Richtung CDU und SPD erhobenen Vorwurf der „Hinterzimmer-Kungelei“. Vielmehr sei die FWG erstmals in der 200-jährigen Geschichte des Bezirkstages im Begriff, sich „mit einem Trick“ einen Aufsichtsratssitz zu verschaffen. Dadurch, so Ramsauer, „werden die Mehrheitsverhältnisse im Bezirkstag auf den Kopf gestellt“. Genau das sei aber nicht zulässig. Denn die Sitzverteilung in Ausschüssen und Gremien müsse die Mehrheitsverhältnisse im Bezirkstag widerspiegeln. FWG und FDP würden eine verwerfliche Kungelei betreiben. CDU und SPD hätten bei der letzten Bezirkstagswahl zusammen 67 Prozent der Stimmen erhalten, konterte Eymael. Beide Parteien würden aber fünf der sechs Aufsichtsratssitze (einschließlich des Bezirkstagsvorsitzenden) für sich reklamieren. 17 Prozent der Wählerstimmen würden damit außen vor bleiben. Im übrigen sei auf dem Wahlvorschlag von CDU, SPD, Grünen und Linke keine einzige Frau vertreten. Letzteres provozierte einen Zwischenruf von Petra Busch (SPD): „Wählen Sie doch Ihre Frauen.“ Was ironisch gemeint war, denn weder FWG noch FDP sind mit einer Frau im Bezirkstag vertreten. Auch der Bezirkstagsvorsitzende Wieder widersprach Eymaels Rechnung mit drei CDU- und zwei SPD-Kandidaten für den Aufsichtsrat: „Mein Mandat ist kein Parteimandat.“ Die Gruppierungen im Bezirkstag, so Wieder, könnten nur Wahlvorschläge für fünf Aufsichtsratssitze machen. FWG-Vertreter Günter Mack hielt der SPD vor, „einfach nur beleidigt zu sein“. Worauf Ramsauer der FWG und FDP vorwarf, mit einer „Riesling-Mathematik“ zu argumentieren. Das wiederum quittierte der frühere Weinbau-Staatssekretär und Winzer Eymael mit dem Zwischenruf „Unverschämtheit“. Mit ihrem Trick, so Ramsauer weiter, würden FWG und FDP mit Karl-Heinz Seebald (SPD) ein erfahrenes Mitglied aus dem Pfalzwerke-Aufsichtsrat drängen, das so etwas nicht verdient habe. In der offenen Abstimmung über die beiden Wahlvorschläge für den Pfalzwerke-Aufsichtsrat erhielt die FWG auch die Stimme des aus der AfD ausgetretenen Bezirkstagsmitgliedes Oliver Sieh. Damit wird aller Voraussicht nach für die Bezirkstags-SPD nur Günther Ramsauer dem Pfalzwerke-Aufsichtsrat angehören, werden die kleinen Parteien mit Walter Altvater (Grüne) und Manfred Petry (FWG) gleich zwei Vertreter entsenden. Ramsauer kündigte an, dass seine Fraktion dieses Ergebnis „rechtlich überprüfen lassen“ werde. Einstimmig wurde hingegen der Haushalt des Bezirksverbandes für das kommende Jahr beschlossen. Und der Geschichte-Grundkurs der Jahrgangsstufe 12 des Bad Bergzaberner Gymnasiums erhielt für das vom ihm entwickelte Brettspiel mit Fragekärtchen den ersten Preis des vom Bezirksverband ausgelobten Schülerwettbewerbs „Die Pfalz und ihr Parlament“. Die Jury war von der kreativen Umsetzung und den inhaltsstarken Informationen beeindruckt.

x