Kultur Südpfalz Liebesdrama vom Hudson River direkt an die Queich

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Ein saftiges Stück Big Apple servierte Gastgeber Dragan Vukmirovic allen Fans der Klassik in seiner „Filmwelt“ in Landau. Erstmals konnte man hier eine Liveübertragung aus der Met erleben und sich zeitgleich mit dem Publikum in New Yorks berühmtem Opernhaus in der unglücklichen Liebe von Wagners „Tristan und Isolde“ergehen. Jede Premiere hat etwas Knisterndes, und so war das auch bei der ersten Liveübertragung einer Met-Oper in einen kleinen Kinosaal in Landau. Dass dieses Knistern nicht nur in der Erwartung des Publikums, sondern auch an atmosphärischen Spannungen – genauer gesagt: einem Entcodierungsfehler der Met lag, der immer wieder zu Ton- und Bildaussetzern führte, ist ein Ärgernis, das es künftig nicht mehr geben sollte. Dragan Vukmirovic jedenfalls hat längst alle technischen Sondervorgaben erfüllt und auch den speziellen, vom international agierenden Vermarkter vorgegeben Receiver eingebaut, der Voraussetzung dafür ist, künftig bei Aufführungen an der Met, der Scala oder dem Bolshoi Theater live dabei sein zu dürfen. Weil das New Yorker Opernhaus seit 50 Jahren im Lincoln Center zuhause ist, hat es sich zum Jubiläum ausgerechnet Wagners monumentales Liebesdrama auserkoren. Dieser fast fünfstündige Hochkaräter ist schon für manchen Opernfan eine harte Nuss – um so mehr für Leute, die die Klassik im Kino vielleicht einfach mal auf unkomplizierte Weise ausprobieren wollen. So ist es kein Wunder, dass der fulminante Met-Auftakt nur etwa zwei Dutzend Gäste in die Filmwelt lockt. Die wurden mit Secco und Selters begrüßt, bevor sie in den komfortablen Sitzen eines kleinen Kinoraums in einem neuen Gebäudetrakt Platz nahmen und sich gleich auf Augenhöhe mit dem chicen Met-Publikum jenseits des Ozeans sahen. Dort war es 12 Uhr mittags, in Landau 18 Uhr abends, hier wie dort hörte man leise, wie sich das Orchester unter Sir Simon Rattle einspielte. Schließlich wurde am oberen Bildrand der Count Down runtergezählt und dann – gab es erst mal eine Begrüßung von einer charmanten Hostess, die das weltweite Übertragungsspektakel auf Englisch und ohne Untertitel moderierte. Noch ein paar Huster in der Met, etwas Chipstüten-Geraschel in der Filmwelt und die ersten Takte des Vorspiels erklangen, während sich auf der Leinwand die irisierend giftgrüne Videoeinspielung der Inszenierung von Mairucz Trelinski entspann. Ab diesem Moment war der Live-Effekt samt Opernhausatmosphäre verflogen. Stattdessen wähnte man sich in einem packenden Film mit intensivem Kammerspielcharakter. Und die Musik – vor allem das Orchester, das in den kommenden fünf Stunden höchstens zwei Minuten eingeblendet war – wurde irgendwie fast zur Nebensache. Dafür war das Publikum ganz nah dran an Tristan und Isolde, an Brangäne und König Marke, an jeder ihrer Gesten, jedem noch so feinen Minenspiel, leider auch an Tristans Theaterblut-klaffenden Wunde, die vom Maskenbildner doch wohl eher auf Fernwirkung modelliert war. So wenig sich das Gefühl des Dabeiseins in der Met einstellen wollte, so sehr durften sich die Kinobesucher in der Pause allerdings Backstage wähnen. Hier wurden die Sänger direkt interviewt und (wer der englischen Sprache mächtig ist) erfuhr viel über ihre Interpretationsansätze und die Besonderheiten der Met-Aufführung unter Sir Simon Rattle, der auch selbst zu Wort kam. Tenor Stuart Skelton erwähnte sogar an die Aufführung, die er als Tristan in der gleichen Inszenierung, aber bis auf ihn anderer Besetzung zu Ostern in Baden-Baden meisterte. Wer ihn damals im Festspielhaus erlebte und jetzt in der Kinowelt wiedersah, der konnte die Vor- und Nachteile zwei sehr unterschiedliche Arten von „Live-Musik“ gegeneinander aufwiegen. Eine Dame aus Kandel konnte den Kinosaal sogar mit der Met vergleichen, wo sie schon drei mal war und wesentlich unbequemer saß. Die Liveübertragung in der Filmwelt fand sie großartig und trotz der kurzen Aussetzer in Ton- und Bildqualität wesentlich besser, als vergleichbare Veranstaltungen in anderen Kinos. Info Nächster Klassik-Event in der Filmwelt: „Das goldene Zeitalter“ Ballett mit Musik von Dmitri Schostakowitsch, Live-Übertragung einer Aufführung des Bolshoi-Theaters, Sonntag, 16. Oktober, 17 Uhr. |ttg

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