Kultur Südpfalz Liebe, Freiheit, Kampf

„Don Karlos“, das 1787 uraufgeführte „dramatische Gedicht“, war von Friedrich Schiller ursprünglich als Familientragödie angelegt, wandelte sich aber in ein politisches Drama, dessen Kern die Debatte humanistischer Ideale bildet. Regisseur Christoph Brück und sein Ensemble interpretierten beim Auftritt in der Stadthalle Germersheim gelungen Schillers getriebene Menschen, die sich in den Fallstricken der Verhältnisse und ihren eigenen Gefühlen verfangen, die lieben, wo sie nicht sollen, die kämpfen, wo sie keine Chance haben.

Letztlich bleibt jeder allein oder stirbt. Selbst die Täter, die die Macht in den Händen halten, werden zu Gefangenen des Systems, überwacht von der allgegenwärtigen Kirche. Die Figur des Marquis von Posa wurde als Sprachrohr philosophisch-politischer Ideen entwickelt. Julian Weigend spielte den Streiter für Gerechtigkeit, der sich in Hof- und Politintrigen verfängt und sich schließlich für seinen Freund Don Karlos und die Menschheit opfert. Manuel Klein ist Don Karlos, der junge Leidenschaftliche, der hin- und hergerissen ist zwischen Idealismus und Zorn. Wolfgang Grindemann verkörpert den verbitterten, in sich gekehrten Herrscher Philipp II, innerlich und äußerlich erstarrt, dennoch nuancenreich, der sich dem Einfluss des kraftstrotzenden Herzogs von Alba (Matthias Horbelt) und des wuchtigen Geistlichen Domingo beugt, seinem Beichtvater, einem unangreifbaren und selbstbewussten Pfaffen, dargestellt von Jörg Reimers. Dagegen schwirrt die königliche Leibwache Graf von Lerma, gemimt von Ralf Weikinger, nur dauerhaft besorgt, aber hilflos über die Bühne Hingebungsvoll und entschlossen, jedoch mit gegenläufigen Interessen ausgestattet geben sich die drei Frauen: Sarah-Jane Janson als Königin Elisabeth, Christa Pasch als Prinzessin von Eboli und Maya Forster als Marquise von Mondecar. Die Königin würde ihre Erhabenheit gerne gegen die Liebe zu Stiefsohn Don Karlos eintauschen, während sich die beinah schrill auftretende Eboli für ihre verschmähte Liebe an Karl rächen will. Modecars Aufgabe ist es unterdessen, die Fäden der Intrige zu festigen, ohne sich dabei in Gefahr zu bringen. Gleichzeitig ist sie die Mittlerin zwischen Gut und Böse. Die Sprache ist herrlich klar, Kostüme und Bühnenbild sind unaufdringlich konstruierte Kollagen aus Alt und Neu. Die schwarzen Gewänder und großen Halskrausen, die typisch waren am Hofe Philipps sind nur zart angedeutet in den doch irgendwie mittelalterlichen Gewändern, die ohne Scheu mit T-Shirt, Oberhemd und modernem Gürtel kombiniert werden, ohne den Gesamteindruck jedoch zu verfremden. Einzig die Prinzessin von Eboli tanzt etwas aus der Reihe mit ihrem kurzen Ballonrock oder dem heißen Höschen. Die Musik ist ein wilder, aufrüttelnder E-Gitarren-Sound. Die Dekoration originell und raffiniert, aus wenigen sorgfältig ausgewählten Requisiten bestehend und verblüffend in der Wandelbarkeit, dabei immer recht stimmig, ausgenommen der kleine Schocker: die Portokasse anstelle einer Schatulle. Einen ebensolchen Überraschungseffekt stellt der unerwartete Hüftschwung des Königssohnes im Gespräch mit seinem besten Freund dar, während allgemein die Gestik von Überzeugungskraft, Würde und Gemessenheit geprägt ist. Besonders beeindruckend ist am Ende der Auftritt des Großinquisitors (ebenfalls Jörg Reimers), der die Macht über Karlos und Elisabeth erlangt und sie vernichtet. Reimers präsentiert mit unglaublichem Facetten- und Nuancenreichtum einen Mann, vor dem einem nicht nur wegen des maskenhaft geschminkten Gesichtes graut. Es ist der hinterhältige, grausame Ton in der Stimme, die in einer gruseligen Mischung aus kraftvoll und schleppend erklingt. (cmj)

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