Kultur Südpfalz Kommentar: Eine Zeit geht unter

Unser gewachsenes historisches Wissen und Gewissen sollte auch im

Umgang mit den steinernen Zeugen der jüngeren Vergangenheit greifen.

Wann die Nachkriegszeit als historische Phase bei uns zu Ende gegangen ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Diskussionswürdig ist auch die Frage nach dem Wert ihres optischen Erscheinungsbilds in Architektur, Mode oder Design. Der Nierentisch der 1950er-Jahren ist längst zur Skurrilität geworden – und der Plattenbau gehört schon lange in die Kategorie architektonischer Schimpfwörter. Doch es gibt durchaus herausragende Zeugnisse der Architektur nach 1945, gerade im Südwesten. Man denke nur an die Stuttgarter Liederhalle oder die Karlsruher Schwarzwaldhalle, die zu Recht unter Denkmalschutz stehen. Daneben aber gibt es viele markante Bauwerke der 1950er-, 1960er- oder 1970er-Jahren, die diesen Status nicht haben und zunehmend verschwinden. Von unspektakulären Zweckbauten mal ganz abgesehen. Nicht wenige von ihnen sind ja auch in marodem Zustand. Man hat damals schnell und wohl nicht ganz so solide gebaut wie etwa die Bauhütten im Mittelalter. Doch abgesehen davon und auch ungeachtet der Frage, wie schön oder hässlich die Bauten jener Jahrzehnte sind: hier geht vielerorts eine Zeit nach und nach unter und verliert zunehmend ihr Gesicht. Dergleichen gab es in der Kultur- und Baugeschichte schon sehr häufig. Gerade darum ist aufgrund unseres historisches Wissens und Gewissens eine angemessene Portion Sensibilität im Umgang mit den Zeugen gar nicht so ferner Zeiten gefragt.

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