Ludwigshafen Jugendfarm fürchtet um ihre Existenz

Klare Botschaft der „Jufa“-Kinder und von Vorstand Chriseldis Becker: „Spart woanders.“
Klare Botschaft der »Jufa«-Kinder und von Vorstand Chriseldis Becker: »Spart woanders.«

Die Stadt Ludwigshafen muss einen hohen zweistelligen Millionenbetrag einsparen. „Alles muss auf den Prüfstand“, sagt Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (SPD). Deswegen herrscht in der Pfingstweide Alarmstimmung – denn die dortige Jugendfarm stand schon einmal auf einer Einsparliste.

Dem Vernehmen nach muss die Stadtverwaltung etwa 50 Millionen Euro bei ihren Ausgaben im kommenden Jahr einsparen. Die Finanzaufsicht des Landes (ADD) fordert klare Signale in Richtung eines ausgeglichenen Haushalts, in dem sich Ausgaben und Einnahmen die Waage halten. Derzeit wird von der Verwaltungsspitze eine Sparliste erarbeitet, die am 30. Januar dem Stadtrat vorgestellt werden soll. Die Fraktionen sollen dann beraten, worauf Ludwigshafen künftig verzichten muss.

Eine solche Liste gab es schon vor über 15 Jahren. Erarbeitet wurden die Sparvorschläge bei einer Klausurtagung im westpfälzischen Domizil des damaligen Kämmerers Wilhelm Zeiser (SPD), deswegen wurde das Zahlenwerk auch „Kuseler Liste“ genannt. Auf dieser Liste standen damals unter anderem die Vorschläge, den Wildpark in Rheingönheim und die Jugendfarm in der Pfingstweide zu schließen. Doch letztlich ließ die Politik diese Pläne wieder fallen.

Angst im Norden

Nun geht im Ludwigshafener Norden wieder die Angst um. Wird sich die Jugendfarm erneut auf der Sparliste finden? „Wir müssen den Kindern aus der Region diesen wertvollen Ort erhalten. Pädagogische Einrichtungen dieser Art prägen die Identität eines Kindes und geben Orientierung für das eigene Handeln, die Lebensführung und den Umgang miteinander. Wir alle und auch die Stadtspitze, sollten sich darüber bewusst sein, wie wertvoll diese Arbeit mit Kindern in der heutigen Zeit ist“, schreibt die Vorstandschaft des Vereins Jugendfarm. Der Verein trägt 51 Prozent der Kosten der Einrichtung und finanziert sich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge.

Klare Botschaft der »Jufa«-Kinder und von Vorstand Chriseldis Becker: »Spart woanders.«
Klare Botschaft der „Jufa“-Kinder und von Vorstand Chriseldis Becker: „Spart woanders.“
Kinder der Jugendfarm und Leiter Clemens Eitel freuen sich über das von der Bürgerstiftung finanzierte Spielgerät.
Kinder der Jugendfarm und Leiter Clemens Eitel freuen sich über das von der Bürgerstiftung finanzierte Spielgerät.
Ausgezeichnet: Pinguin- und Eisbärenkostüme der Jugendfarm bei einem Fasnachtsumzug in Oppau.
Ausgezeichnet: Pinguin- und Eisbärenkostüme der Jugendfarm bei einem Fasnachtsumzug in Oppau.
Weihnachtsfeier auf der Jugendfarm.
Weihnachtsfeier auf der Jugendfarm.
Pferedepflege gehört schon immer dazu.
Pferedepflege gehört schon immer dazu.
Mit den Ziegen nahm die Farm auch am Oppauer Jubiläumsumzug teil.
Mit den Ziegen nahm die Farm auch am Oppauer Jubiläumsumzug teil.
Der Kontakt zu Tieren und die Pflege helfen Kindern bei ihrer Entwicklung.
Der Kontakt zu Tieren und die Pflege helfen Kindern bei ihrer Entwicklung.

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Die Finanzierung einer Schlechtwetterhalle, die Beschaffung eines Traktors und von Geräten, die Erneuerung des Spielplatzes, die volle Übernahme der Kosten für die Tiere, selbst die Mistentsorgung seien Beispiele dafür, was allein durch ehrenamtliche Vereinsarbeit und Spenden gestemmt werde. „Als Verein der Jugendfarm Pfingstweide werden wir all unsere Kräfte in Bewegung setzen, eine Einrichtung dieser Art zu erhalten“, kündigt der Vorstand an. In Zeiten wie diesen sei die Jugendfarm eine pädagogische Einrichtung von allergrößtem Wert. Zwei Drittel der Kinder in Deutschland lebten mittlerweile in Städten und seien von der Natur entfremdet. Dieser Mangel an Naturerlebnissen stehe auch oft in Zusammenhang mit kindlichen Entwicklungsdefiziten, die in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen hätten. Umso wichtiger sei es für Kinder, im Alltag Naturerfahrungen zu machen – auch in der Stadt.

Angebot über 45 Jahre alt

Die Jugendfarm besteht seit über 45 Jahren. Seit seiner Gründung 1976 betreibt der „Jufa“ genannte Verein die Jugendfarm Pfingstweide. Entstanden ist eine naturnahe Insel am Rande Ludwigshafens mit 30.000 Quadratmetern Abenteuerwildnis voller Bäume, Sträucher und Wiesen. Rund 150 Tiere gibt es dort. Mehrere Generationen Kinder haben hier in einem betreuten und geschützten Raum viel über Natur gelernt, etwa wie aus Eiern Gänse werden, dass eine Pflanze gesät und gegossen werden muss, und wie mit einem Tier umzugehen ist. Auch Reitunterricht und die Pflege von Pferden gehört zum Konzept. Der Besuch der „Jufa“ ist für alle Kinder und Jugendliche kostenlos. Als anerkannter Träger der freien Jugendhilfe ist die Jugendfarm eine pädagogische Einrichtung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und wird von der Stadt finanziell unterstützt.

Kämpferischer Vorstand

Wird das auch künftig so sein? Die Stadtspitze hat sich bisher nicht in die Karten blicken lassen, was diesmal auf der Sparliste stehen soll, die dem Stadtrat vorgelegt wird. „Ich nenne vorab keine Details“, sagt Oberbürgermeisterin Steinruck. In der Pfingstweide herrscht derweil große Besorgnis. „Wir müssen den Kindern aus der Region diesen wertvollen Ort erhalten“, fordert Chriseldis Becker vom Jufa-Vorstand. Sie will bereits im Vorfeld der anstehenden Haushaltsberatungen klarmachen, dass die Jugendfarm nicht auf der neuen Sparliste stehen sollte.

„Pädagogische Einrichtungen dieser Art prägen die Identität eines Kindes und geben Orientierung für das eigene Handeln, die Lebensführung und den Umgang miteinander. Wir alle, auch die Stadtspitze, sollten uns darüber bewusst sein, wie wertvoll diese Arbeit mit Kindern in der heutigen Zeit ist“, heißt es in einem Brief des Vorstands. Becker kündigt an, für den Erhalt der Jugendfarm kämpfen zu wollen. Auch Kommunalpolitiker aus dem Ludwigshafener Norden seien schon einmal vorsorglich angesprochen worden. Die Botschaft des Vereins ist unmissverständlich: Wenn gespart werden müsse, dann nicht an der Jugendfarm. Rückendeckung gibt’s von Ortsvorsteher Frank Meier (SPD). „Man darf eine Stadt nicht kaputt sparen und muss sie auch lebenswert halten. Für mich ist die Jugendfarm eine wichtige und unverzichtbare Einrichtung in der Pfingstweide.“ Gerade in dem Stadtteil mit so vielen mehrstöckigen Wohnhäusern fehlten ansonsten Angebote für junge Leute.

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