Rheinpfalz Ein „unbequemes“ Denkmal

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Neustadt. Das Grab des früheren NS-Gauleiters Josef Bürckel auf dem Neustadter Hauptfriedhof ist vergangene Woche abgeräumt worden. Dabei hat die Stadt allerdings übersehen, dass es als Denkmal eingestuft ist. Das Grabmal ist zwischengelagert worden und kann noch erhalten werden (wir informierten auf unserer Südwest-Seite).

Josef Bürckel ist in der Pfalz das Gesicht des nationalsozialistischen Terrorregimes. 1940 sorgte er zusammen mit dem badischen Bauleiter Robert Wagner dafür, dass die südwestdeutschen Gebiete als erste im Deutschen Reich als „judenfrei“ deklariert wurden. 6538 Juden wurden deportiert, die meisten starben. Auch in Wien, wo Bürckel 1938 als Reichskommissar eingesetzt wurde, initiierte er Massendeportationen. Am 28. September 1944 starb Bürckel in Neustadt, wo er wohnte und beerdigt wurde, an einer Darmentzündung. Das Bürckel-Grab sei eines der „unbequemen Denkmale“, erklärt Georg Peter Karn von der Landesdenkmalpflege in Mainz. Also eines, das an die „dunklen“ Kapitel der Geschichte erinnert. Bürckel war 1944 zunächst auf dem Ehrenhain des Friedhofs beigesetzt worden, nachdem er mit einem pompösen Staatstrauerakt, an dem zahlreiche NS-Größen teilnahmen, geehrt worden war. 1947 wurde sein Leichnam umgebettet, das Grab an den äußersten Rand des Friedhofs verlagert. Der Stadtrat habe das seinerzeit nicht-öffentlich beschlossen, erzählt Marc Weigel, langjähriger Kulturdezernent, der seit einiger Zeit in unregelmäßigen Abständen Friedhofsführungen anbietet. Das Grab Bürckels gehört bei Weigels Rundgängen zu den Pflichtstationen. „Ich nutze das, um auch dieses Kapitel der Neustadter Geschichte anzusprechen“, erläutert er. Die Zuhörer, zum überwiegenden Teil Neustadter, seien da immer besonders konzentriert. Dieses Mal allerdings fand er das Grab abgeräumt vor. „Ich war ziemlich überrascht.“ Weigel ist der Meinung, dass der Erhalt des Grabs aus pädagogischen Gründen sinnvoll ist. Der Grabstein mache sichtbar, dass der Gauleiter in Neustadt gewohnt und agiert habe. Und an seiner Person lasse sich „das Perfide“ des NS-Systems aufzeigen. Denn der Gauleiter habe sich volksnah, leutselig und heimatverbunden gegeben, und sei doch ein unerbittlicher Rassist und Antisemit gewesen. Über die Frage, wie mit dem Grab umzugehen sei, gab es zuletzt vor vier Jahren eine Diskussion. Damals ausgelöst durch eine Ausstellung über die Deportation von Kindern und Jugendlichen in nationalsozialistische Vernichtungslager, die in Eisenbahn-Waggons zu sehen war. Der Initiator hatte damals schwere Vorwürfe gegen Oberbürgermeister Löffler gerichtet, weil dieser nicht auf die Forderung eingegangen war, an Bürckels Grab eine Gedenktafel anzubringen. Damals wurden Forderungen laut, das Grab einzuebnen. Dass das Grab, in dem fünf weitere Familienmitglieder bestattet sind, als Denkmal klassifiziert ist, war damals kein Thema. Auch jetzt, als sich nach Ablauf der Ruhezeiten die Frage stellte, wie es weiter gehen soll, ist der Denkmalaspekt nicht thematisiert worden – obwohl die Familie nach eigenen Angaben im Gespräch mit dem OB über eine mögliche Verlängerung des Grabs auf die historische Dimension hingewiesen hat. Eine Einigung über die Kosten kam nicht zustande. Daraufhin beschloss die Familie, das Grab nicht zu verlängern und ließ es abräumen. Dass der Denkmalschutz gegenüber der Familie nicht angesprochen wurde, sei versäumt worden, räumt eine Stadtsprecherin ein. Wie es weitergeht, soll zusammen mit den Bürckel-Nachkommen und der Landesdenkmalpflege in Mainz besprochen werden. Ulrich machte deutlich, dass aus Sicht des Denkmalschutzes „wenigstens“ die Grabsteine erhalten werden sollen. Das Grab des früheren Gauleiters sei genauso bedeutend wie beispielsweise das ehemalige frühe Internierungslager im Quartier Hornbach, in dem eine Gedenkstätte eingerichtet wurde.

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