Kultur Südpfalz Ein Klassiker macht sich drollig

Mit einem wüsten Geniestreich wurde der junge Dramatiker Friedrich Schiller 1782 schlagartig berühmt, ja berüchtigt: Die Uraufführung seines Erstlings „Die Räuber“ in Mannheim geriet zum Skandal. Die Neuinszenierung des Stückes am Karlsruher Staatstheater in der Regie von Mina Salehpour ist davon weit entfernt.

Es ist gerade die kolossalische Unfertigkeit der „Räuber“, die Chancen und Gefahren für Interpreten und Regisseure birgt. Ist es ein Saft- und Kraftstück um die Familienhändel zweier verfeindeter Brüder, sie so unähnlich gar nicht sind, wie sie sich selbst verstehen? Ist es eine revolutionäre Parabel auf Fürstenwillkür und ein verrottetes System? Vielleicht gar „höheres Indianerspiel“ (Thomas Mann)? Ein rebellischer Sturmlauf gegen „die Herrschenden“? Oder doch eher ein philosophisches Denkspiel um Gott und Gnade, Recht und Schuld? Die Karlsruher Aufführung des Werkes, auf zwei Stunden gekürzt und mit stark reduziertem Personal, mag sich da nicht so ganz festlegen. Auch die konzeptionellen Erwägungen, die das Programmheft anstellt, bleiben für die Inszenierung weitgehend folgenlos. Dabei hätte die Regisseurin, die bislang vor allem auf dem Gebiet des Kinder- und Jugendtheaters von sich reden gemacht (und in Karlsruhe eine hübsche Inszenierung des „Kamels ohne Höcker“ vorgestellt) hat, dramaturgische Hilfe durchaus nötig gehabt. Den „Räubern“ jedenfalls schien sie nicht gewachsen. Und so holt sie sich die Ideen, wo sie sie gerade vorzufinden glaubt, und bleibt dabei durchweg an der Oberfläche. Um nur ja von des Gedankens Blässe nicht angekränkelt zu werden, bietet ihre Inszenierung einen bunten Stilmix, der sich einerseits an den vermeintlichen Erwartungen eines kurzweiligen Oberstufentheaters orientiert und dabei die problematisch enge Bindung des Schauspiels an die Lustigkeiten des Jungen Staatstheaters verrät, andererseits aber seine Zuflucht nimmt zu rabaukenhaften Kraftakten, in denen der Klassiker mit nassforschem Hauruck vom hehren Sockel geschubst werden soll. Solch juveniler Unfug, der sich ernsthaftem Umgang mit dem Stück verweigert und selbst platten Nonsense als erfrischende Respektlosigkeit ausgibt, hat sich freilich schon seit Jahrzehnten unablässig mit Vorliebe an den „Räubern“ abgearbeitet. Die Karlsruher Provokationen bewirken da allenfalls ein müdes Achselzucken. Auch der Einfall, das Drama der beiden Brüder an die Abwesenheit ihres schwachen Vater zu knüpfen und also dessen Rolle ganz zu streichen, kann die Aufführung schon deshalb nicht tragen, weil er nur halbherzig durchgeführt wurde. So bleibt es denn bei ständigem Rennen und Hüpfen über die schwarz-weiß-grauen Quaderstufen des Bühnenbildes von Jorge Caro, in dessen Mitte eine Schräge zu beharrlichen Rutschpartien aller Darsteller einlädt, und allerlei divergierenden Szenen: Da werden mal die Bluttaten der Räuber als kabarettistische Schauer-Anekdoten erzählt, mal mit rotem Konfetti drollige Splatter-Orgien inszeniert, mal die Originaltexte durch flapsige Zutaten „aktualisiert“ und mal mit großem Tamtam erfundene Traumsequenzen eingefügt. Nichts fügt sich zum anderen, und dass dann auch noch das Finale bis zur Sinnlosigkeit verstümmelt wird, wundert niemanden mehr. Immerhin gibt es in dieser unbefriedigenden Aufführung zwei Lichtblicke: Maximilian Grünewald spielt den Erzschurken Franz mit bemerkenswert weichen, verletzlichen Tönen und hoher psychologischer Eindringlichkeit, und Ralf Wegener, der jetzt aus dem Jungen Staatstheater ins reguläre Ensemble gewechselt ist, erweist sich dort als echte Bereicherung und liefert eine überragende Studie des infamen Räubers Spiegelberg. Schade nur, dass auch diese beiden sehenswerten Darsteller durch Störmanöver der Regie immer wieder beeinträchtigt werden. Das übrige Personal bleibt allzu farblos. Das gilt leider auch für Luis Quintana, der als mittelmäßiger „guter Räuber“ Karl die Konflikte dieser interessanten Figur nicht zu gestalten vermag, und Florentine Krafft als harte, verdüsterte Amalia ohne Profil. So weisen denn diese „Räuber“ enttäuschende Defizite auf fast allen Ebenen auf: im Ensemble, in der Regie und der Dramaturgie. Das Karlsruher Schauspiel läuft mit missglückten Abenden wie diesem Gefahr, sich selbst abzuschaffen.

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