1. FC Kaiserslautern Abpfiff – der Betzenberg-Krimi (24)

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In welchem ein gewisser Samuel auftaucht, der eigentlich Samiel heißt, der aber trotzdem die Gebete von dem Feldkamp erhört.

Der Feldkamp hat schlechte Laune. Ganz schlechte Laune. Oder wie man jetzt in der Pfalz sagen würde: Er ist so richtig stinkig! Die Fahrt nach Memmingen hätte er sich sparen können. Und damit auch die Frau Sandig, die durchgelegene Matratze in ihrem Gästebett und dass sie auch am nächsten Morgen nicht aufhören kann, „Jesus! Jesus! Welch eine Freude, Sie zu sehen!“ zu sagen.

Immerhin ist sie damit nicht mehr ganz so laut und überschwänglich wie gestern Abend. Und sie hat ihn auch nicht mehr umarmt und auch keinen Kuss auf die Stirn gedrückt, wie das der Fall war, als er plötzlich vor ihrer Tür stand und etwas von „Entschuldigen Sie die Störung, aber ich war gerade in der Nähe und wollte Ihnen doch endlich das Handy von Ihrem Mann zurückgeben, das ich beim letzten Mal aus Versehen eingesteckt habe“ gemurmelt hat.

Nee, der Frau Sandig die Schuld an seiner schlechten Laune zu geben wäre ungerecht, wo sie doch gestern Abend auch noch ein Schnitzel gemacht und heute wieder so liebevoll den Frühstückstisch gedeckt hat. Nein. Schuld daran hat allein dieser verdammte Computer von dem Sandig.

Nichts, aber auch gar nichts hat er darauf gefunden. Nicht den kleinsten Hinweis, der ihn vielleicht noch weiterbringen könnte in dieser Scheißgeschichte! Und das, wo er sich gleich wieder selbst auf die Schulter hätte klopfen können ob seines genialen Einfalls, dass der Sandig immer nur ein und dieselbe Geheimnummer benutzt hat, die Nummer nämlich, die auch auf seinem Autokennzeichen gestanden hat.

Aber hat ihn das jetzt weitergebracht, diese brillante Idee? Das Einzige, was ihm der Computer vom Sandig verraten hatte, war, dass er ihn eigentlich gar nicht mehr benutzt hat in letzter Zeit. Und wenn, dann nur, um mal einen Brief an einen Handwerker oder die Müllabfuhr zu schreiben oder sich Pornos im Internet anzuschauen oder Solitaire zu spielen. Selbst sein digitaler Terminkalender ist nicht mehr auf dem aktuellen Stand wie der auf seinem Handy. Und so sitzt der Feldkamp jetzt immer ratloser am Küchentisch von der Frau Sandig, rührt in seinem Kaffee rum, blättert sich durch die Zeitung – und gibt einen tiefen Seufzer von sich, just in dem Moment, als die Frau Sandig in die Küche kommt, in der rechten Hand eine Kleiderbürste und in der linken einen Kleiderbügel, von dem die Uniformjacke des Zolloberinspektors Peter Sandig baumelt.

„Samuel hilf!“

SAMUEL?

HILF?

Ja, ja … ich weiß, dass es eigentlich Samiel heißen muss und nicht Samuel! Das Vertrackte an dem abergläubischen Feldkamp ist nur, dass ER das nicht weiß. Weil er vor fast 50 Jahren etwas falsch verstanden hat. An seinem ersten Tag als Volontär in der Lokalredaktion der „Rheinpfalz“ in Neustadt an der Weinstraße, in der ersten Redaktionskonferenz seines gerade beginnenden Journalistenlebens. Er sieht sie noch heute vor sich, die schon angegrauten Herren Lokalredakteure, versammelt um einen noch jungfräulichen „Seitenspiegel“, der Layoutvorlage, in der sie nun mal langsam einmalen müssten, welche Geschichten und Fotos sie für die nächste Ausgabe in den Druck geben wollen.

Aber da war nichts, was sich zu drucken gelohnt hätte an diesem Tag. Rein gar nichts. So wie gerade auf dem Computer von dem Sandig. Und auch dem alten Storck, dem Lokalchef, der eigentlich eher ins Feuilleton gehört hätte, ist nichts anderes eingefallen, als unter dem beifälligen Kopfnicken seiner Redakteure die Augen zu verdrehen, die Hände gen Himmel zu strecken und zu seufzen: „Da kann ich nur sagen: Samuel hilf, meine Herren!“

Zu fragen, was das bedeutet, hat sich der junge Volontär Feldkamp damals nicht getraut. Weil er nicht gleich am ersten Tag als Volldepp dastehen wollte, der nicht weiß, wie Journalisten so drauf sind. Und so hat er sich das dann so zusammengereimt, dass das wohl so eine Art Stoßgebet und Hilferuf ist und dass es da oben wohl auch einen Samuel gibt, der für Journalisten zuständig ist. Genauso wie den heiligen Florian für die Feuerwehr.

SAMUEL HILF!

Dass er sich damals vielleicht nur verhört und der kulturbeflissene alte Storck gar nicht Samuel, sondern Samiel gesagt hatte, auf die Idee ist der Feldkamp bis heute nicht gekommen. Weil: In seinen Ohren hat er den Spruch dann immer wieder so gehört. Nicht nur in der Redaktion, sondern auch beim Skat oder Würfelspiel nach Feierabend. Und so hat er ihn einfach übernommen, ohne weiter darüber nachzudenken, und kein einziges Mal Widerspruch dabei erfahren, was aber wahrscheinlich daran lag, dass er da auch schon selbst Chef war.

Ob es dann genauso gekommen ist wie bei dem Feldkamp damals und seine Schüler es dann auch so falsch übernommen und weitergegeben haben wie er, vermag ich nicht zu sagen. Aber wenn, dann sei ihnen und den ganzen Zockern draußen im Land und vor allen Dingen dem Feldkamp natürlich ein für alle Mal gesagt, dass es Samiel heißen muss. Und dass das auch nichts mit einem für Journalisten zuständigen Heiligen zu tun hat, sondern im Gegenteil mit einem bösen Geist namens Samiel, den der Jägerbursche Max in der Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber beschwört.

SAMIEL HILF!

Wie ich den Feldkamp kenne, wird ihm das aber scheißegal sein. Weil auch der Samuel letztendlich immer geholfen hat und bis heute keine Zeitung erschienen ist mit einer leeren Seite. Technische Pannen selbstverständlich ausgenommen. Aber dafür können die Journalisten ja nichts, gell, Feldkamp?

Apropos Zeitung, und ob ihr es nun glaubt oder nicht: Kaum hat der Feldkamp seinen Samuel beschworen, sticht ihm eine kleine Meldung in der „Allgäuer Zeitung“ ins Auge, die vor ihm auf dem Küchentisch von der Frau Sandig liegt:

Heute Urteil im Falschgeldprozess.

Hach! Den hat er ja auch ganz vergessen. Den Prozess, in dem der Zolloberinspektor Peter Sandig als Zeuge hätte aussagen sollen. Worum ging es da gleich noch mal? Ja, um einen Kroaten, den der Sandig zusammen mit einem Kollegen mit 100 000 Euro Falschgeld im Gepäck erwischt hat. In einem Zug von Zürich nach München. Und heute wird das Urteil gesprochen?

Da muss er hin!

Das ist vielleicht die letzte Chance, Licht in die Geheimnisse von dem Sandig zu bringen.

„Vielen Dank auch, Samuel“, flüstert der Feldkamp, nun schon etwas besserer Laune. Dass die sich im Laufe des Tages noch um einiges heben wird, kann der Feldkamp in diesem Moment nicht ahnen. Denn wenn der Samuel schon einmal hilft, dann aber auch richtig.

Im Gegensatz zum Feldkamp ist die Frau Sandig schon den ganzen Morgen blendender Laune. Nicht nur, weil sie endlich wieder einen Mann im Hause hat, den sie bekochen kann, sondern auch, weil sie heute Nacht beschlossen hat, endlich wirklich ein neues Leben anzufangen. Und dazu gehört, dass sie erst einmal den Kleiderschrank ihres toten Mannes ausmistet und seine Sachen zur Altkleidersammlung ihrer Kirchengemeinde bringen wird.

Und wie wir uns erinnern, war sie just in dem Moment in die Küche gekommen, als der Feldkamp seinen Samuel beschworen hat. In der rechten Hand eine Kleiderbürste und in der linken einen Kleiderbügel, an dem die Uniformjacke des Zolloberinspektors Peter Sandig baumelt.

Und genau die rutscht jetzt von dem Bügel, segelt zu Boden und fällt dem Feldkamp direkt vor die Füße.

Der hat sich natürlich gleich gebückt und sie wieder aufgehoben. Aber so ungeschickt, dass aus der Innentasche der Uniform noch etwas anderes auf den Boden fällt: ein schmales, schwarzes Ding. Einer von den Faltkalendern, wie sie dir deine Sparkasse zu Weihnachten schenkt. Ein Terminkalender, in dem es wimmelt von Buchstaben und Ziffern, alle schön handschriftlich eingetragen hinter Tagesdaten. Das ganze Jahr über gibt es solche Einträge. Fast für jede Woche. Manchmal sogar mehrere Tage hintereinander:

EC 115/3/64 – 500 EC 115/1/14 – 1500 EC 115/5/26 – 750 …

EC?

Dem Feldkamp fällt dazu erst einmal nicht mehr ein als EC wie die Abkürzung für eine EC-Karte. Aber warum stehen dann immer dieselben drei Ziffern dahinter und danach andere Zahlenkombinationen? Hat der Sandig vielleicht noch andere Bankkonten gehabt? Ist das hier eine verschlüsselte Buchführung? Ist das die Spur zu dem vielen Geld, das er gehabt hat?

Ein Blick auf die Küchenuhr von der Frau Sandig reißt ihn aus seinen Gedanken. 9.30 Uhr. Er muss sich sputen. Die Urteilsverkündung im Falschgeldprozess beginnt in einer halben Stunde.

Weiterlesen? Alle Teile des Betze-Krimis finden Sie hier.

 

Zur Person

Udo Röbel, geboren 1950 in Neustadt an der Weinstraße, ist Journalist und Autor. Der ehemalige RHEINPFALZ-Volontär wurde später in die Chefredaktion des Kölner „Express“ und an die Spitze der BILD-Zeitung berufen. Für seine Rolle in der sogenannten Kießling-Affäre wurde er mit dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse ausgezeichnet. 1988 stieg er bei der Geiselnahme von Gladbeck zu Entführern und Geiseln ins Auto. Das Verhalten der Medien während der Geiselnahme führte zu einer Erweiterung der Richtlinien im Pressekodex. Heute lebt Röbel in Hamburg und Berlin. Ein Interview mit dem Autor finden Sie hier.

 

 

 

Journalist und Autor Udo Röbel.
Journalist und Autor Udo Röbel.

An dieser Stelle finden Sie ein Video via GlomexSport.

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