Rheinland-Pfalz „Teilweise Überspannungen“

Mit seinem Gutachten, wonach die damalige Landesregierung schon 2009/10 hätte wissen müssen, dass der Nürburgring nicht zu retten sei, hat der Landesrechnungshof viel Wirbel ausgelöst. Die CDU forderte die Demission der SPD-Minister Roger Lewentz (Infrastruktur) und Carsten Kühl (Finanzen) sowie den Rücktritt von SPD-Fraktionschef Hendrik Hering. Die Regierung, an der Spitze Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), widerspricht den Schlussfolgerung der Prüfer. Darüber sprachen wir mit Rechnungshofpräsident Klaus Behnke.

Der Nürburgring und das Verhalten der Landesregierung bereiteten schon Ihrem Vorgänger Volker Hartloff wenig Freude. Aber aktuell scheint das Verhältnis zur Regierung zerrüttet. Was hat zu dieser Eskalation geführt?

Es gibt Spannungen, das ist nicht zu leugnen. Ich sehe das bis zu einem gewissen Grad mit einer professionellen Distanz und möchte es nicht überbewerten. Die Feststellungen und Bewertungen des Rechnungshofs haben zu kontroversen und heftigen politischen Diskussionen geführt. Dabei wurde die Sachebene in arge Mitleidenschaft gezogen. Jedenfalls ist der Rechnungshof kein Akteur auf der politischen Bühne, er ist strikt neutral und darf deshalb die entsprechende Achtung beanspruchen. Er wird sich nicht auf ein Niveau der Diskussion einlassen, das sich nicht mehr an der Klärung und an der Bewertung von Fakten orientiert. Der Rechnungshof sagt also nicht, die SPD habe sich mit dem „Zukunftskonzept“ Nürburgring über die Landtagswahl 2011 gerettet? Das ist eine politische Bewertung. Das ist nicht Sache des Rechnungshofs. Die Ministerpräsidentin sagte vergangene Woche in ihrer Regierungserklärung, der Rechnungshofbericht enthalte keine neuen Tatsachen, nur ein Teil der Bewertungen sei neu. Stimmen Sie ihr zu? Das kommt mir sehr bekannt vor. Der ehemalige Ministerpräsident Beck hatte sich bei einem vorhergehenden Gutachten in ähnlicher Form geäußert. Eine Reihe der Aspekte des Gutachtens wurden bereits an anderer Stelle angesprochen. Allerdings nicht in einer Gesamtschau. Andere Dinge waren weder Gegenstand von Rechnungshofberichten noch allgemein bekannt. Beispielsweise die Befassung mit EU-Vorschriften. Der Rechnungshof hat das Thema nicht aus eigenem Antrieb auf den Prüfungsplan gesetzt, sondern auf Ersuchen des Landtags. Weiter sagte Dreyer, auf der anderen Seite des Rechnungshofs stehe das Wirtschaftsberatungsunternehmen Ernst & Young (EY), das ebenfalls unabhängig ein Gutachten erstellt habe. Wo sehen Sie die Unterschiede? Der Rechnungshof ist ein in der Verfassung verankertes Organ der Finanzkontrolle. Seine Mitglieder genießen die gleiche verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit wie Richter. Der Rechnungshof wird ganz wesentlich im Interesse des Parlaments tätig. Sein Jahresbericht ist Grundlage für die Entlastung der Regierung. Wenn Expertisen von Rechnungshof und Privatgutachtern gleichzusetzen wären, könnte in Zukunft ein von der Landesregierung beauftragtes Privatunternehmen eine Expertise dazu abgeben, ob sich die Regierung im Rahmen der Landeshaushaltsordnung bewegt hat. Das wäre kaum Sinne des Landtags Das muss er sich überlegen. Der Rechnungshof hat Fehler eingeräumt. Der heutige Infrastrukturminister Roger Lewentz (SPD) war 2009 weniger in das Zukunftskonzept eingebunden, als es im Bericht den Anschein hatte. Die CDU hatte ihre Rücktrittsforderung an Lewentz genau damit begründet. Wie kam es dazu? Es gibt da nichts zu beschönigen. Da ist ein Fehler passiert, der darauf beruhte, dass die für den Nürburgring zuständige Abteilung 2011 vom Wirtschaftsministerium ins Innenministerium gewandert ist. Es gibt sicher niemanden, der sich mehr über den Fehler geärgert hat als ich. Weil solche Fehler, so nebensächlich sie für das Ergebnis sind, als Vehikel zur Diskreditierung des Gesamtwerks genutzt werden. Das ist ein Teil jeder Strategie im Umgang mit unliebsamen Botschaften. In der Eifel kommt gerade die Version Nürburgring 3.0 auf den Markt: Zum dritten Mal droht ein Hoffnungsträger zu scheitern, weil er das Geld für den Nürburgring nicht hat. Kann der Rechnungshof an dieser Stelle hinter die Kulissen blicken? Der Rechnungshof verfolgt die mediale Berichterstattung. Ob er hinter die Kulissen schauen wird, dazu gibt es noch keine Beschlussfassung des Kollegiums. Zudem haben wir die Sondersituation eines Unternehmens im Insolvenzverfahren. In dieser Situation sind die Rechte des Landes und damit die Prüfungsrechte des Rechnungshofs eingeschränkt. Das Land ist über einen Mitarbeiter der Förderbank ISB im Gläubigerausschuss vertreten. Der Ausschuss stimmte im März dem Verkauf des Nürburgrings an Capricorn zu Prüfungsrechte im Insolvenzverfahren sind keine unkomplizierten Fragen. Wir werden sie sorgfältig untersuchen und dann entscheiden. Nach dem ersten Urteil im Nürburgring-Prozess kündigte Dreyer an, Sie zum Wirtschaftlichkeitsbeauftragten machen zu wollen. Aktuell ist Ihre Meinung gerade nicht gefragt, warum sollte sie das in Zukunft sein? Im Moment gibt es sicherlich Spannungen, teilweise Überspannungen in der Diskussion und im Verhältnis zueinander. Aber irgendwann wird der Pulverdampf verflogen sein und dann muss das Leben weitergehen. In ihrer Regierungserklärung hat die Ministerpräsidentin versichert, dass Sie sich von den Empfehlungen des Rechnungshof leiten lassen wird. Sie hat weiter ausgeführt, dass Instrumente, die das Regierungshandeln transparent machen, eingeführt wurden. Die zwei Beispiele, die sie genannt hat, gehen auf Empfehlungen des Rechnungshofs zurück: Den Kodex für gute Unternehmensführung und die Berufung des Wirtschaftlichkeitsbeauftragten. Herr Behnke, Sie sind SPD-Mitglied. Die Partei fühlt sich gerade nicht wohl mit Ihnen. Wie fühlen Sie sich denn mit der Partei? Als Rechnungshofpräsident stellt sich die Frage nicht. Der Rechnungshof ist parteipolitisch strikt neutral. Wenn Sie mich persönlich fragen: Die Gründe, die mich vor 40 Jahren bewogen haben, in die SPD einzutreten, gelten im Kern noch immer und werden nicht durch Äußerungen einzelner Personen in Frage gestellt.

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