Rheinland-Pfalz Rütteln an den Grundfesten grüner Basisdemokratie

Die Gefühlslage der Grünen im Land lässt sich an zwei Zahlen ablesen: 34 Parteimitglieder wollen 2016 in den Landtag – 18 sind dort aktuell vertreten. Deshalb wird es am Abend des 20. Juni 2015 Sieger und Verlierer geben. Dann wählen die Grünen in Bingen die Kandidaten für die Landesliste. Der Machtkampf um den männlichen Spitzenplatz weckt in der Partei die Sorge, die Basisdemokratie könnte auf der Strecke bleiben.

MAINZ. Gut zwei Wochen ist es her, dass der Westpfälzer Andreas Hartenfels nach einer Fraktionssitzung in Mainz den Rückzieher gemacht hat von seinem kurz zuvor öffentlich gewordenen Plan, auf Platz zwei der Landesliste zu kandidieren. Damit hätte er Fraktionschef Daniel Köbler Konkurrenz gemacht. Der Mainzer will zusammen mit Wirtschaftsministerin Eveline Lemke, die Platz eins anstrebt, erneut das Spitzenduo für die Wahl bilden und Fraktionschef bleiben. Köbler ging als Tagessieger aus dem Duell hervor, aber genau das irritierte die Parteibasis, weil die Grünen immer stolz darauf waren, den Wettbewerb um Ämter und Mandate offen auf Parteitagen auszutragen und nicht hinter verschlossenen Türen. Zum Vergleich: Bei SPD, CDU und FDP machen die Parteivorstände Listenvorschläge. Gegenkandidaturen auf dem Parteitag sind die Ausnahme. Bei den Grünen dagegen rangeln schon mal vier, fünf oder auch acht Personen um einen Platz – ohne dass die Verlierer anschließend beschädigt wirken. Vor fünf Jahren belohnte die Partei Lemke und Köbler für deren Kärrnerarbeit in der außerparlamentarischen Opposition: Lemke kandidierte alleine an der Spitze. Köblers Mitbewerber sagte, er mache das nur aus Prinzip – er verlor haushoch. Ob Hartenfels Köbler hätte gefährlich werden können, ist unklar. Der Landschaftsarchitekt, der den Wirtschaftsausschuss leitet und finanzpolitischer Sprecher ist, gilt als Einzelspieler. Nur sein Kreisverband Kusel stellt sich öffentlich hinter ihn. Skepsis herrscht auch bei der innerparteilichen Oppositionsgruppe „Mehr Mut zu Grün“ um die Ex-Landtagsabgeordneten Dietmar Rieth und Manfred Seibel, zu der auch Bernd Schumacher, Vorsitzender des Kreisverbands Südwestpfalz, gehört. Die Gruppe kündigte eigene Kandidaten an. Hartenfels sagt nur so viel im Rückblick: „Die Dynamik, die der Vorstoß entwickelt hat, zeigt, dass ich etwas naiv an das Thema herangegangen bin.“ In der Partei gärt das Thema. Nach einem Bericht der „Rhein-Zeitung“ kritisieren vier Kreisverbände im Landesnorden parteiintern, warum es Unruhe auslöse, wenn jemand seinen Wunsch äußere, auf einem bestimmten Listenplatz zu kandidieren. Der Kreisverband Trier-Saarburg monierte, dass potenzielle Spitzenkandidaten „weggebissen“ würden. Ruth Ratter, bildungs- und kulturpolitische Sprecherin der Fraktion, sagte auf Anfrage: „Ich würde kein Drama daraus machen. Die Entwicklung hat einen wichtigen Klärungsprozess für die Partei initiiert.“ Die Grünen seien immer für eine lebendige Diskussion gewesen, auch darüber, ob das Personal mehrheitsfähig ist. Wie andere Kandidaten auch, holte sich Ratter gestern in ihrem Kreisverband die Rückendeckung, für einen aussichtsreichen Platz zu kandidieren. Vor fünf Jahren wurde sie auf Platz 11 gewählt. Die Spitzen von Partei und Fraktion versuchen, die innerparteiliche Krise mit Schweigen zu lösen. Wie schon vor zwei Wochen waren die Vorstandssprecher Katharina Binz und Thomas Petry auf RHEINPFALZ-Anfrage nicht sprechen. Beide wollen auf den Plätzen neun und zehn kandidieren. Der Pressesprecher teilte mit: „Bei uns Grünen wird die Liste auf der Landesdelegiertenversammlung aufgestellt. Die Aufgabe der Landespartei ist es, die Aufstellung der Liste zu organisieren. An der Kommentierung der Bewerberinnen und Bewerber möchten wir uns aber nicht beteiligen.“ Die Mitglieder werden in einem Brief des Vorstandes, der der RHEINPFALZ vorliegt, aufgefordert: „Tragt die Debatten intern aus.“ Aus der Fraktion sollte nach der jüngsten Sitzung am Mittwoch ebenfalls eine Erklärung an die Mitglieder folgen. Dazu sagte die stellvertretende Vorsitzende Anne Spiegel gestern auf Anfrage jedoch, sie wisse gar nicht, ob ein Brief rausgehe. Gar nicht äußern wollte sich Jutta Blatzheim-Roegler, ebenfalls Fraktionsvizechefin. Spiegel und Blatzheim-Roegler wollen erneut auf den Plätzen drei und fünf kandidieren. Eveline Lemke macht niemand den Spitzenplatz streitig – zumindest bisher nicht.

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