Rheinland-Pfalz „Für raffinierte Irreführung entschieden“

MAINZ (kad). Statt „Ladies first“ hieß es gestern im Landtag „Mann voran“. Vergeblich hatte die CDU-Opposition gehofft, Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) würde sich zum Rechnungshofbericht äußern, der über die Nürburgring-Politik in der Ära nach dem 2009 zurückgetretenen Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) ein harsches Urteil gefällt hat. Doch Dreyer blieb in der Regierungsbank sitzen. Sie überließ es den Architekten des damaligen Zukunftskonzepts für den Nürburgring, dem heutigen SPD-Fraktionschef Hendrik Hering und Finanzminister Carsten Kühl (SPD), sich selbst zu rechtfertigen. In der Opposition waren trotz der Bedeutung des Themas von CDU-Fraktionschefin Julia Klöckner nur Zwischenrufe zu hören. Sie gab ihren Stellvertretern Adolf Weiland und Alexander Licht den Vorrang am Rednerpult. Weiland warf der Landesregierung vor, sie habe sich mit dem Zukunftskonzept im Jahr 2010 bewusst „gegen die Wirklichkeit und für die Irreführung entschieden“. Zu den von Hering immer wieder angeführten Beratern von Ernst & Young sagte Weiland: „Berater sind keine Entscheider.“ Die Regierung habe es mit dem Zukunftskonzept nur mit sich selbst gut gemeint. „Es ging um nichts anderes als um die eiskalte Machtfrage für sich und die SPD“, sagte er. Ein Eingeständnis des Scheiterns am Nürburgring hätte nach seinen Worten für die SPD bei der Landtagswahl 2013 den „politischen Super-Gau“ bedeutet. Deshalb, so Weilands Schlussfolgerung, treffe das Gutachten Ministerpräsidentin Malu Dreyer unmittelbar „in ihrer Legitimation und in ihrem Regierungshandeln“. Wortreich erklärte er, warum die CDU zumindest derzeit keinen Untersuchungsausschuss fordere und auch nicht den Rücktritt von Hering und Kühl. Es liege nämlich kein Einzelversagen eines einzelnen Ministers vor. Die Grünen knöpfte er sich auch gleich vor. Sie seien im „lauen Wasser des Koalitions-Aquariums zu Kukident-Piranhas“ geworden. Hering beteuerte, der SPD-Fraktion sei daran gelegen, die Vorgänge aufzuklären. Mit lauter Stimme reagierte er auf den Vorwurf der Wählertäuschung. „Dieser Vorwurf ist falsch, und ich weise ihn mit aller Deutlichkeit zurück.“ Alle Dokumente, auch vertrauliche, hätten deutlich vor der Wahl im Internet gestanden. Was Hering nicht sagte, war, dass nicht die Regierung, sondern Medien die Dokumente veröffentlicht hatten. Sein damaliges Handeln verteidigte er: „Hätten wir untätig bleiben sollen? Ich habe es als meine Pflicht gesehen, diese Empfehlungen von Ernst & Young umzusetzen.“ Nach dem Scheitern der Privatfinanzierung nichts zu tun hätte weitere Kosten in Höhe von bis zu 200 Millionen Euro verursacht. Darauf hätten die vom Land beauftragten Berater hingewiesen. Applaus erhielt Hering nur von der SPD, nicht von den Grünen. Deren Fraktionschef Daniel Köbler wiederholte, dass sich die Grünen durch den Rechnungshof in ihrer früheren Kritik bestätigt fühlten. Er zitierte die heutige Wirtschaftsministerin Eveline Lemke, die 2010 als damalige Chefin der außerparlamentarischen Grünen gesagt habe, von Becks Leitbild des ehrbaren Kaufmanns könne am Nürburgring nicht mehr die Rede sein. Solange Kurt Beck als Ministerpräsident im Amt war, galt Köblers Verhältnis zu ihm als sehr gut. Für die kommenden Diskussionen in den Fachausschüssen kündigte Köbler aber auch kritische Fragen an: „Der Rechnungshofbericht ist nicht die zehn Gebote, und Speyer ist nicht der Berg Sinai.“ Für die Landesregierung sprach Finanzminister Kühl. „Mir war 2010 klar, mit dem Nürburgring sind keine Lorbeeren zu verdienen“, widersprach er dem Vorwurf von Wählertäuschung. Das Projekt „Nürburgring 2009“, den Ausbau zum Geschäfts- und Freizeitpark, im Jahr 2007 so umzusetzen, sei ein schwerer Fehler gewesen. Doch 2009 sei nicht mit 2007 zu vergleichen. Kühl trat im Juli 2009 die Nachfolge Deubels an. Zu seiner Zeit seien die rund 300 Millionen Euro bereits ausgegeben gewesen, das Land habe in der Haftung gestanden, sagte er. Es habe sich nur um eine Umschuldung gehandelt. Er widersprach in mehreren Punkten dem Rechnungshofbericht. Den Vorwurf der Insolvenzverschleppung, den die CDU angedeutet hatte, konterte Kühl mit dem Hinweis darauf, dass die Jahresabschlüsse der Nürburgring GmbH von Wirtschaftsprüfern für die Jahre 2007 bis 2009 ein uneingeschränktes Testat erhalten hätten. Was er nicht sagte, war, dass die Wirtschaftsprüfer für 2008 auf eine bilanzielle Überschuldung hingewiesen haben. Nur Steuergeld rettete den Ring vor der Insolvenz.

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