Politik Zur Sache: Der Unterschied zwischen Mittäterschaft und Beihilfe

Das Oberlandesgericht München hat Beate Zschäpe als Mittäterin an den Morden und Gewalttaten des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) zur Höchststrafe verurteilt. Der Senat verhängte eine lebenslange Haftstrafe gegen die 43-Jährige. Er stellte die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen. Die vier Mitangeklagten erhielten Freiheitsstrafen, die zum Teil deutlich unter den Forderungen der Bundesanwaltschaft lagen. Einige von ihnen können so darauf hoffen, schon in wenigen Monaten wieder in Freiheit zu sein. Manfred Götzl, der Vorsitzende Richter im NSU-Verfahren, hatte noch nicht richtig begonnen, das Urteil zu begründen, da kritisierte Anja Sturm, eine der drei Pflichtverteidigern von Beate Zschäpe, die Begründung bereits als „dünn“. Stunden vor dem Ende der Urteilsverkündung stand fest, dass die Verteidigung Revision beim Bundesgerichtshof einlegen wird. Nicht nur die von Beate Zschäpe, auch die von Ralf Wohlleben. Daran, dass Beate Zschäpe eine gewaltbereite Rechtsextremistin war, daran gibt es keinen Zweifel. Die nun Verurteilte hat das selbst im Wesentlichen eingeräumt. Die Ziele des Trios, zu dem neben Beate Zschäpe noch Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gehörten, bestanden darin, den Nationalsozialismus wieder einzuführen, aktiv gegen zu viele Ausländer vorzugehen, den deutschen Staat lächerlich zu machen. „Die Gruppe kam überein, Menschen aus antisemitischen oder rassistischen Gründen zu töten“, heißt es in dem Urteil. Die große Frage aber lautet: War Beate Zschäpe Mittäterin, obwohl sie nie am Tatort war? Oder muss sie deutlich milder nur als Gehilfin von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bestraft werden, die unstrittig alle Morde begingen – und sich dann selbst töteten. Kaum eine Formulierung findet sich in der mündlichen Urteilsbegründung daher so oft wie „bewusstes und gewolltes Zusammenwirken“, oder aber „gemeinschaftlich“. Bewusst und gewollt zusammen hätten Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos die Morde begangen, die Nagelbomben gebaut, die Banküberfälle geplant und durchgeführt, sagt Manfred Götzl. Bewusst und gewollt hätten sie zusammengewirkt, als dem Blumenhändler Enver Simsek in den Kopf geschossen wurde, als Mehmet Turgut mit vier Schüssen hingerichtet wurde – und bei allen anderen Taten auch. Es braucht diese Formulierung, wenn das Urteil in der nächsten Instanz Bestand haben soll. Wobei die Formulierung allein natürlich nicht ausreicht. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat 2012 am Beispiel der RAF-Terroristin Verena Becker den Standard gesetzt für den Unterschied zwischen Mittäterschaft und Beihilfe. Der Bundesgerichtshof hat dies inzwischen bestätigt. Wesentlich sei „der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und der Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich vom Willen des Tatbeteiligten abhängen“, heißt es demnach. Götzl kennt das Urteil selbstverständlich, zitiert es – und hält die Voraussetzungen für erfüllt. Die Verteidiger sehen es anders. Genau dieser Punkt ist in der Revision nur schwer angreifbar – wenn die Begründung auf dem Weg zum Urteil denn stimmig ist. Das Gericht erklärt durch seinen Vorsitzenden, dass sich Beate Zschäpe selbst an den Taten beteiligt habe, dass sie in Berlin eine Synagoge ausgespäht habe zum Beispiel. Das Gericht versucht klar zu machen, warum es der einen Behauptung mehr glaubt, und der anderen weniger. Das sind Punkte, an denen die Verteidiger einhaken werden. Ob es im Einzelfall darauf ankommt, ist eine andere Frage. Gesamtwürdigung heißt hier das Zauberwort. Von einer „Gesamtschau der Umstände“ spricht Manfred Götzl, wenn er erklärt, warum das Gericht so geurteilt hat, wie es geurteilt hat.

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