Neues aus der Redaktion Wie ein Interview mit BASF-Chef Martin Brudermüller abläuft

BASF-Chef Martin Brudermüller mag Menschen, die polarisieren, streiten, pointiert sprechen, anecken. Das spürt, wer mit ihm spri
BASF-Chef Martin Brudermüller mag Menschen, die polarisieren, streiten, pointiert sprechen, anecken. Das spürt, wer mit ihm spricht.

Warum BASF-Chef Martin Brudermüller nicht immer gefällt, was Medien berichten – und warum Redaktionen wie Küchen sind.

Liebe Leserinnen und Leser,

Martin Brudermüller ist vieles, aber eines ganz sicher nicht: ein Langweiler. Der Vorstandsvorsitzende der BASF polarisiert, streitet, spricht pointiert, spitzt zu, eckt an – mit voller Absicht und offenem Visier. Martin Brudermüller mag Menschen, die polarisieren, streiten, pointiert sprechen, anecken. Das spürt, wer mit ihm spricht – so wie Olaf Lismann und ich an diesem heißen Tag im Juli.

Die bunten Fahnen vor der BASF-Zentrale hängen schlapp vor wolkenlos blauem Himmel. Hier in Ludwigshafen hat der Wind an diesem Tag keine Kraft. Dafür die Sonne. Sie brennt schon am frühen Morgen auf den Asphalt vor Tor 2. Alles eitel Sonnenschein beim größten Chemiekonzern der Welt, beim wichtigsten Arbeitgeber der Region? Zumindest nicht uneingeschränkt. Hohe Energiepreise, staatliche Regulierung und anhaltende Kritik in der Heimat trüben die Stimmung. Statt Rücken- bläst nun häufiger Gegenwind durch die Carl-Bosch-Straße.

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Brudermüller ist sturmerprobt

Martin Brudermüller stellt sich dem Wind entgegen. Er macht das routiniert, weil sturmerprobt. Und im absoluten Wissen um seine Wirkung. Das Setting ist dabei Nebensache: ganz gleich, ob er in einer Hintergrundrunde über ausufernde Bürokratie schimpft, Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in Ludwigshafen China und die Chinesen erklärt, oder der RHEINPFALZ beim Exklusivinterview die Lage des Heimatstandorts schildert.

Brudermüller befindet sich auf Abschiedstour im Rechtfertigungsmodus. Kommendes Jahr ist Schluss: Nach 18 Jahren im Vorstand nimmt er Abschied von der BASF. Davor will er sich erklären. Ihm missfällt, was rund um das milliardenschwere China-Investment geschrieben wird, auch von der RHEINPFALZ. Er fühlt sich missverstanden, ist überzeugt, dass die Zukunft des Standorts Ludwigshafen auch abhängig ist vom Geschäft in Fernost. Er versteht nicht, wieso Kritiker diese Zusammenhänge nicht sehen. Immer dieselben Fragen, immer dieselben Kommentierungen.

Die RHEINPFALZ hat Martin Brudermüller alte und neue Fragen gestellt. Sie, liebe Leserinnen und Leser, finden sie samt Antworten im Interview – digital auf rheinpfalz.de und im E-Paper, gedruckt in der Zeitung: alles am Freitagmorgen.

Bei der BASF ist vieles in Bewegung

Der BASF-Chef läuft an diesem Sommertag auf Hochtouren. Mit energischen Schritten und fixierendem Blick betritt er drei Minuten vor dem verabredeten Zeitpunkt den schicken Konferenzraum im zweiten Stock des Ausweichquartiers der Top-Führungskräfte. Bei der BASF ist gerade vieles in Bewegung. Umbaubedingt auch das Management. Vor Brudermüller liegt ein loser Stapel Papier auf dem Holztisch. Mitarbeiter der Presseabteilung haben Themen antizipiert, Wichtiges markiert. Immer wieder blättert der Chef, sucht nach Pink. Tags zuvor hat er, der selten Zeit hat, um mehr Zeit gebeten. Die Journalisten mögen doch eine halbe Stunde zusätzlich einplanen. Es gäbe viel zu bereden. Er bringe neue Daten mit.

Brudermüller präsentiert diese Daten nicht zum ersten Mal. Mit „BASF Ludwigshafen – Standort zwischen Transformation und geopolitischem Umbruch“ ist der Foliensatz überschrieben. „Interview RHEINPFALZ“ hat jemand in dünner Schrift ergänzt. Brudermüller muss dieser Tage viel sprechen: mit enttäuschten Aktionären in aller Welt, mit ungeduldigen Partnern in China, mit verunsicherten Mitarbeitenden in der Pfalz.

In der Heimat drängen die Fragen besonders

Mit der RHEINPFALZ spricht Martin Brudermüller an diesem Tag zum ersten Mal seit Jahren. Vielen anderen Medien welt- und bundesweit habe er abgesagt. Er weiß, dass die Fragen in der Heimat besonders drängen, der Erklärungsbedarf groß ist. Dort, wo noch immer fast 40.000 bei der BASF in Lohn und Brot stehen. Dort, wo vieles unmittelbar von der Kraft des größten Chemiekonzerns der Welt abhängt. Dort, wo die einen über die Schließung von Anlagen und den Abbau von Stellen schimpfen, während die anderen froh sind über Betriebs-Kita und günstigen Wohnraum.

Als erfahrener Manager weiß Brudermüller natürlich eigentlich, dass eine unabhängige Zeitung wie die RHEINPFALZ Unternehmen wie die BASF kritisch begleiten muss.

Redaktionen sind wie Küchen

Das derzeitige Agieren des „Global Players“ mit Pfälzer Wurzeln ist auch in der Redaktion umstritten. Der Chemiegigant habe entscheidenden Anteil am finanziellen Niedergang Ludwigshafens, investiere nun aber Milliarden im fernen China, sagt die eine Fraktion in einer intensiven Konferenz. Die BASF verschaffe der Region überhaupt erst Handlungsspielraum, sagt die andere. Die Qualität der Diskussion ist hoch, die Durchdringung des Themas tief. Anspruchsvoller Regionaljournalismus trifft auf zum Wandel verdammte Industrie in komplexer Weltlage.

Dazu müssen Sie wissen: Redaktionen sind wie Küchen. Es geht mitunter hitzig zu. Die Lautstärke ist hoch, die Taktung schnell. Das Streben nach Qualität treibt an. Wer Hitze nicht verträgt, sollte Küche und Redaktion meiden. Die Debatte um die BASF ist heiß. Und sie bleibt heiß. Auch nach Veröffentlichung des Interviews. Auch nach dem Abschied des aktuellen Vorstandsvorsitzenden.

Die BASF ist für Ludwigshafen und die Region systemrelevant. Langweilig wird es sicher nicht. Auch nicht bei der Lektüre des Interviews.

Erhellende Minuten wünscht Ihnen

Yannick Dillinger

 

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