Worms Steinmeier würdigt Luthers Mut: „Freiheit des Gewissens“

Das Luther-Denkmal in Worms. Hier verweigerte der Geistliche vor 500 Jahren den Widerruf seiner Thesen.
Das Luther-Denkmal in Worms. Hier verweigerte der Geistliche vor 500 Jahren den Widerruf seiner Thesen.

Vor 500 Jahren riskiert Martin Luther in Worms für seine Überzeugung Leib und Leben. An diese Zivilcourage erinnern Festgäste bei einer Feierstunde. Sie schlagen dabei auch eine Brücke von dem „weltgeschichtlichen Augenblick“ des Reformators ins Heute.

Zum 500. Jahrestag der Widerrufsverweigerung von Martin Luther in Worms haben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer den Reformator als couragierten Aufklärer gewürdigt. „Sein Mut und seine Haltung faszinieren bis heute“, sagte Dreyer am Freitag anlässlich eines digitalen Luther-Gedenkens in Worms. Die Freiheit des Gewissens und der persönlichen Verantwortung seien zeitlos und hätten höchsten Stellenwert. „Das gilt in der gegenwärtigen Situation der Corona-Pandemie, aber auch darüber hinaus“, betonte die per Video zugeschaltete SPD-Politikerin in einer Mitteilung.

Steinmeier bezeichnete Luthers Schritt als „europäische Sternstunde des erwachten individuellen Gewissens“. „Es gibt eine Stunde des Gewissens, in der ein Mensch ganz allein mit sich selbst ist, in der es ganz allein auf seinen Mut, auf seinen Willen und seine Standfestigkeit ankommt“, sagte er in einer Videobotschaft. Vor einem halben Jahrtausend habe Luther eine solche „Stunde des Gewissens“ exemplarisch erlebt. „Er hat sie bestanden, weil er bereit war, dafür auch Freiheit und Leben aufs Spiel zu setzen.“

Steinmeier schlägt Brücke zur Gegenwart

Luther hatte damals in 95 Thesen den Ablasshandel der katholischen Kirche kritisiert, sich von Sünden freikaufen zu können. Auf dem Reichstag in Worms sollte der Mönch am 18. April 1521 seine Schriften offiziell widerrufen – was er verweigerte. Dabei werden ihm die berühmten Sätze „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders“ zugeschrieben. Reformation und Kirchenspaltung nahmen ihren Lauf.

Steinmeier sprach von besonderen Situationen und schlug auch eine Brücke zur Gegenwart. Man sollte nicht jede Auseinandersetzung zu Fragen der Wahrheit und des Gewissens machen. „Im geduldigen Zuhören, im wahrhaftigen Austausch miteinander, in der Erkenntnis, dass die alleinige Wahrheit meist nie auf einer Seite ist, lassen sich sehr viele Fragen zivilisiert und verletzungsfrei klären.“

Bedeutung von Luthers Handeln für heutige Gesellschaft

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf sprachen bei der Gedenkveranstaltung darüber, welche Bedeutung Luthers Widerrufsverweigerung für die heutige Gesellschaft hat. „Wenn wir jetzt nach 500 Jahren, in denen soviel Blut geflossen ist im Namen der Konfessionen, wenn wir sagen: Wir können heute nur noch gemeinsam die Botschaft des Evangeliums sagen, dann setzen wir damit auch ein Zeichen für die Welt“, sagte Bedford-Strohm. „Als Katholik feiere ich auch heute die Bedeutung des Gewissens eines Menschen“, sagte Kohlgraf. „Eines Gewissens, das aus dem Glauben heraus gebildet ist.“ Luther stehe tief im Glauben. „Und das überzeugt mich heute.“

Die ursprünglich groß geplante Feier war wegen der Corona-Pandemie in einen digitalen Festakt umgewandelt worden. An diesem Samstag soll in Worms eine abendliche Licht- und Musik-Inszenierung an den historischen Auftritt von Luther vor 500 Jahren in der Stadt erinnern. Am Sonntag sendet das ZDF einen Festgottesdienst unter anderem mit dem hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Volker Jung.

x