Fragen und Antworten Ruhe vor dem Sturm in Lützerath

Polizei und Klimaschutzaktivisten stehen sich am Rand von Lützerath gegenüber.
Polizei und Klimaschutzaktivisten stehen sich am Rand von Lützerath gegenüber.

Der Energiekonzern RWE will ein inzwischen verlassenes Dorf abreißen, um Braunkohle abzubaggern. Klimaaktivisten wollen das verhindern.

Was genau verbirgt sich hinter dem Namen Lützerath ?
Dies ist eine aus wenigen Gebäuden bestehende Siedlung, die zur Stadt Erkelenz im Rheinland gehört. An der einen Seite tut sich die unwirkliche Kraterlandschaft des Braunkohletagebaus Garzweiler auf, eine Szenerie wie von einem anderen Planeten. Obwohl die Gebäude heruntergekommen sind, spürt man bei einem Rundgang, dass dies eine jahrhundertealte Kulturlandschaft ist. Die ursprünglichen Bewohner des Ortes sind alle weggezogen, doch die Gebäude werden seit längerem von Klimaaktivisten bewohnt. Ein Teil von ihnen lebt auch in Baumhäusern, Wohnwagen und Zelten.

Wem gehört das Gebiet von Lützerath?
Alle Gebäude und Grundstücke gehören dem Energiekonzern RWE. Und alle Klagen gegen einen Abriss sind von Gerichten abgewiesen worden. Der zuständige Kreis Heinsberg hat den Aufenthalt in Lützerath inzwischen untersagt. Auf dieser Basis kann nun die Räumung erfolgen. Mehr als 1000 Beamte sollen dafür täglich eingesetzt werden.

Warum will RWE Lützerath abreißen?
Unter dem Dorf befinden sich besonders große Braunkohlevorkommen, die RWE abbaggern will. Dies sei nötig, um die Energieversorgung sicherzustellen, sagt der Konzern. Er hat dabei die Rückendeckung der nordrhein-westfälischen Landesregierung aus CDU und Grünen. In der aktuellen Krisensituation bei der Energieversorgung sei jedem klar, dass die Kohle unter Lützerath gebraucht werde, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in einem Interview des „Kölner Stadt-Anzeigers“. „Niemand hat die Entscheidung leichten Herzens getroffen, diese Kohle in Anspruch zu nehmen.“

Was sagen die Klimaaktivisten, die sich gegen das Abbaggern wehren?
Sie bestreiten, dass die unter „Lützi“ gelegene Kohle wirklich gebraucht wird, und verweisen dabei unter anderem auf eine Studie von Wissenschaftlern mehrerer Universitäten, die sich als „CoalExit Research Group“ zusammengeschlossen haben. Demnach reicht die Kohle im aktuellen Abbaubereich allemal aus – auch unter den Bedingungen der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Energiekrise. Dieser Lesart zufolge hat es RWE vor allem deshalb auf Lützerath abgesehen, weil sich die Kohle dort leichter und damit profitabler gewinnen lässt. Der Konzern bestreitet das.

Wird es bei der Räumung mutmaßlich zu Gewalt kommen?
Nach Angaben des zuständigen Aachener Polizeipräsidenten Dirk Weinspach handelt es sich bei den Aktivisten in Lützerath um eine „gemischte Szene“, die überwiegend „bürgerlich und friedlich orientiert“ sei. Ein kleiner Teil der Demonstranten sei aber zu Gewaltstraftaten bereit. Mehrfach flogen bereits Steine, Böller und Flaschen gegen die Polizei. Die Atmosphäre vor Ort ist aufgeheizt, der Ton gegenüber der Polizei teils aggressiv.

Was hat Lützerath mit dem Hambacher Forst zu tun?
Der Hambacher Forst ist ebenso wie das nicht weit entfernte Lützerath ein Symbol der Klimabewegung. Auch der Wald sollte 2018 zerstört werden, damit RWE die darunter liegende Kohle abbaggern konnte. Dagegen entwickelte sich aber massiver Widerstand. Denn hier handelt es sich um einen uralten Wald mit bis zu 350 Jahre alten Bäumen und seltenen Tierarten. 2018 ordnete die nordrhein-westfälische Landesregierung die Räumung des Waldes zwar an – 86 Baumhäuser wurden daraufhin von der Polizei abmontiert, was mit unzureichendem Brandschutz begründet wurde.

Das Verwaltungsgericht Köln stufte dies später jedoch als Vorwand ein und bezeichnete die Räumung als widerrechtlich. Das Oberverwaltungsgericht Münster erließ noch 2018 einen vorläufigen Rodungsstopp im Hambacher Forst. Als Teil des Kohlekompromisses wurde die Erhaltung des Waldes beschlossen.

Unter dem Begriff „Kohlekompromiss“ versteht man eine Vereinbarung, die eine von der Bundesregierung beauftragte Kommission ausarbeitete. Besetzt war sie mit ganz unterschiedlichen Akteuren – aus Gewerkschaften, der Wirtschaft, Wissenschaft. Ziel war es, sozialverträgliche Wege aus der Kohleverstromung, die das Klima schädigt, zu finden.

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