Politik Oettinger will den EU-Haushalt mit mehr Geld ausstatten

Will neue Schwerpunkte setzen bei der Verteilung der EU-Mittel: Haushaltskommissar Günther Oettinger.
Will neue Schwerpunkte setzen bei der Verteilung der EU-Mittel: Haushaltskommissar Günther Oettinger.

«Brüssel.» Die EU soll ab 2021 über mehr Geld verfügen können. Bisher standen ihr etwa ein Prozent der Wirtschaftsleistung der Staatengemeinschaft zur Verfügung – etwa 150 Milliarden Euro im Jahr. Wie verschiedene Tageszeitungen berichteten, will Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) vorschlagen, dass die EU zwischen 2021 und 2027 zwischen 1,13 und 1,18 Prozent der Wirtschaftsleistung ausgeben kann.

Das zusätzliche Geld soll der EU zur Verfügung stehen, um größere Ausgaben in den Bereichen Flüchtlingsaufnahme, Verteidigung und Forschung zu stemmen. Außerdem muss Oettinger eine durch den Austritt des Nettozahlers Großbritannien aus der EU entstehende Milliardenlücke bei den Einnahmen kompensieren. Der deutsche EU-Kommissar geht davon aus, dass der EU durch den Brexit zehn bis 13 Milliarden Euro im Jahr fehlen werden. Im Einzelnen will Oettinger das Personal der Grenzschutzagentur Frontex, die derzeit 1200 Mitarbeiter hat, verfünffachen. Auch das Erasmus-Programm, das jungen Leuten einen Studien- oder Ausbildungsaufenthalt in einem anderen EU-Land finanziert, will er erheblich ausbauen. Derzeit können vier Prozent eines Jahrgangs daran teilnehmen, künftig sollen es zehn Prozent sein. Die Forschungsausgaben sollen um 40 bis 50 Prozent wachsen. Bisher gibt es eine so starke Nachfrage nach EU-Forschungsfördergeldern, dass nur zehn Prozent der Anträge bewilligt werden können. Oettinger will dafür sorgen, dass mehr Projekte gefördert und einige neue Programme aufgelegt werden können. Mit weniger Geld sollen künftig Agrarprogramme und Strukturförderfonds auskommen, die etwa zum Bau von Straßen, Flughäfen und Schulen in den Mitgliedstaaten dienen. Im letzten siebenjährigen Haushaltsrahmen machten Agrar- und Strukturmittel 80 Prozent aller Ausgaben aus. Künftig sollen es nur 60 Prozent sein. Oettinger will vorschlagen, dass die Direktzahlungen an Bauern, die derzeit in Deutschland 280 Euro je Hektar betragen und nicht an die Produktion gekoppelt sind, nicht mehr linear ansteigen. Ab einer bestimmten Betriebsgröße soll der Betrag je Hektar leicht abgeschmolzen werden. Erstmals will Oettinger einen Mechanismus einbauen, der die Zahlung von EU-Mitteln daran bindet, dass ein EU-Mitgliedstaat die rechtsstaatlichen Prinzipien der EU nicht verletzt. Sollte ein Mitgliedstaat etwa die Gewaltenteilung nicht respektieren oder die Freiheit der Gerichte einschränken, soll die EU-Kommission die Möglichkeit haben, die Auszahlung weiterer Mittel zu blockieren oder Rückforderungen zu stellen. Der Sanktionsmechanismus gilt als Antwort der Kommission auf Rechtsstaatsverstöße in Polen, Ungarn, Malta und anderen EU-Staaten. Vor allem die Bundesregierung hatte darauf gedrungen, dass Mitgliedstaaten, die sich der mehrheitlich beschlossenen Aufnahme von Flüchtlingen verweigern, ebenfalls mit einem Entzug von Mitteln aus Brüssel bestraft werden können. Diesen Vorschlag verfolgt Oettinger aber nicht weiter. Er geht einen anderen Weg: Mitgliedstaaten, die besonders viele Flüchtlinge aufnehmen und integrieren, sollen stattdessen zusätzlich Geld bekommen. Oettinger ist in den vergangenen Monaten in alle Mitgliedstaaten gereist und hat bei den Regierungen um Zustimmung für seine Pläne geworben. Hintergrund ist, dass er neben der Zustimmung des Europaparlaments auch ein einstimmiges Votum aller nationalen Regierungen in der EU braucht, damit der Haushalt in Kraft treten kann. Polen, Ungarn, Rumänien und Malta dürften zwar dagegen sein, dass Mittel bei nachgewiesener Korruption und Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit gekürzt werden. Doch Oettinger setzt darauf, dass sie ihren Widerstand aufgeben, wenn Deutschland und andere Nettozahler im Gegenzug bereit wären, mehr in den EU-Haushalt einzuzahlen. Viele osteuropäische Länder bekommen mehr aus Brüssel als sie einzahlen. Sollten sich die Geberländer weigern, ihren Anteil künftig zu erhöhen, müssten sie mit teils empfindlichen Einbußen rechnen. Oettinger wird konkrete Zahlen zu seinem Vorschlag für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen am Mittwoch vorlegen. Um die Dimension abzuschätzen, ein Vergleich: Der In Deutschland umfasste der Bundeshaushalt 2017 Ausgaben von 325 Milliarden Euro, was etwa zehn Prozent der Wirtschaftsleistung Deutschlands entspricht. Der EU-Haushalt hat nicht einmal die Hälfte dieser Mittel zur Verfügung. Kommentar

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