Politik LKA-Mann: BKA stufte Amri falsch ein

Über die Gefährlichkeit des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri hat es vor dessen Anschlag zwischen den Sicherheitsbehörden von Bund und Land offenbar massive Meinungsunterschiede gegeben. Das zeigte sich gestern im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer Landtags.

Die Anschlagsgefahr bei dem in Nordrhein-Westfalen frühzeitig als salafistischer Gefährder bewerteten Tunesier sei insbesondere vom Bundeskriminalamt (BKA) als nicht besonders hoch eingestuft worden, erklärte ein Kommissionsleiter im Landeskriminalamt von Nordrhein-Westfalen. Trotz massiver Warnungen sei Amri beim BKA auf einer Gefährlichkeitsskala von acht (niedrig) bis eins (hoch) am Ende nur mit fünf eingestuft worden. „Wir haben das völlig anders gesehen“, sagte der Islamismus-Fahnder vor dem Ausschuss. Aufgrund von Chatprotokollen und Telefonüberwachungen habe das Landeskriminalamt Indizien gehabt, dass sich der Tunesier in Italien oder Frankreich Kalaschnikow-Waffen besorgen und ein Selbstmordattentat begehen wollte. „Uns war zu diesem Zeitpunkt aber nicht klar, ob er den Anschlag in Deutschland oder im Ausland plant“, bekundete der Zeuge. Wiederholt habe Amri in seinen arabisch geführten Telefonaten die Chiffre „Dugma“ für Selbstmordattentat benutzt, berichtete der Beamte im Düsseldorfer Landtag. Am 21. Dezember vergangenen Jahres war der Islamist mit einem gekaperten Lkw aus Polen über den Berliner Breitscheidplatz gerast und hatte dort zwölf Menschen getötet und 50 weitere verletzt. Wegen seiner Gefährlichkeit habe das LKA Amri bereits im März 2016 festsetzen und unschädlich machen wollen, erklärte der LKA-Kommissionsleiter weiter. Deshalb habe es dem NRW-Innenministerium eine Abschiebeanordnung zu dessen Inhaftierung empfohlen. Der Tunesier sei zu seiner Amtszeit der einzige Gefährder gewesen, bei dem eine Abschiebeanordnung nach Paragraf 58a in Erwägung gezogen wurde. Mit der Generalbundesanwaltschaft sei vereinbart worden, dass die in einem Tischvermerk vom LKA aufgelisteten Indizien gegen Amri für ein Gerichtsverfahren freigegeben würden, versicherte der Zeuge. Dagegen hatten führende Mitarbeiter des Innenministeriums vor dem Untersuchungsausschuss erklärt, die einschlägigen Beweismittel seien gesperrt, um einen V-Mann im Umfeld des Tunesiers nicht zu gefährden. Deshalb habe das Ministerium seinerzeit keine Erfolgsaussichten gesehen, eine Inhaftierung zur Abschiebung Amris durchzusetzen.

x