Politik Leitartikel: Kriegsgetöse ohne Plan

Ein neuer Militärschlag der Amerikaner in Syrien wird den Fortgang des Kriegs dort nicht wesentlich beeinflussen. Russland wird Kurs halten.

Dass damit der Nahe Osten dauerhaft friedlicher wird, ist zweifelhaft. In Syrien wendet Russland dieselbe verheerende Strategie an wie einst im eigenen Land in Tschetschenien.

Wie US-Präsident Donald Trump seine kriegerische Drohung formuliert, ist unsäglich: „hübsch, neu und schlau“ seien die Raketen, die er für Syriens Regime parat habe. Politisch erinnert der Vorgang an 1998, als US-Staatschef Bill Clinton inmitten der Sex-Affäre um seine Praktikantin Monica Lewinsky Militärschläge gegen Terroristen in Afghanistan und Sudan befahl. Clinton wurde vorgehalten, von seinen innenpolitischen Nöten abzulenken. Trump ist unter akutem Druck wegen der Untersuchungen von Sonderermittler Robert Mueller, der sich nun auch noch mit Schweigegeld für eine Pornodarstellerin befassen muss. Egal, was Trump nun in Syrien tut oder nicht – er wird kaum glaubhaft erklären können, er handele als Rächer des von einem Diktator gequälten syrischen Volkes oder als Verteidiger hehrer völkerrechtlicher Prinzipien. Abgesehen von Trumps Problemen daheim – die US-Position im Syrienkonflikt ist nach sieben Jahren des Zickzackkurses ohnehin völlig verkorkst. Man mogelte sich mit „Assad muss weg“-Rufen und halbherziger Rebellenbewaffnung über die Runden. Zu einer konzertierten internationalen Antwort war man unfähig. Im Endeffekt schaute Washington zu, wie aus einem Aufstand des Arabischen Frühlings ein Bürgerkrieg und dann ein internationaler Konflikt wurde. Zwar hat das US-Militär den größten Anteil an der Zerschlagung des Terror-Kalifats in Irak und Syrien. Aber als Sieger stehen längst Assads Paten Russland und Iran da. Nicht nur haben sie Stück für Stück Rebellengebiete zurückerobert. Sie sind eben auf Einladung aus Damaskus da – handeln also vom Völkerrecht gedeckt. Die USA hingegen haben kein solches Mandat. Die Lügen der US-Regierung von George W. Bush zur Rechtfertigung des Irakkriegs 2003 wirken fort: Die USA vermögen es kaum noch, die Rolle des Anführers der freien Welt zu spielen. Trumps impulsive Art tut ein Übriges, selbst gutwillige Alliierte zu verprellen. Der russische Autokrat Wladimir Putin hingegen steht als Fels in den Brandung da, als gewiefter Staatenlenker, der im Meer der chaotischen Konflikte im Nahen und Mittleren Osten Kurs hält. Aber Russland ist – anders als seine Propaganda behauptet – mitnichten nur im Anti-Terror-Kampf. Es verfolgt genau solche imperialen Ziele in Syrien, wie sie den USA vorgeworfen werden. Schlimmer: Moskau ist – da hat Trump recht – Helfershelfer bei Vergasungen und Bombardements ohne Rücksicht auf zivile Opfer. Dass in Syrien mehrfach Sarin und auch Chlorgas zum Einsatz kamen und dass sowohl das Assad-Regime als auch Rebellen Täter gewesen sind, wurde von Inspekteuren der Organisation für das Verbot chemischer Waffen bewiesen. Russland hat mit seinem Veto im UN-Sicherheitsrat unterbunden, dass die notwendigen Sanktionen folgen. Es ist leider unmöglich, glaubwürdig auf den Fall Duma zu reagieren, wo es am 7. April offenbar eine neue Gasattacke gab. Die Vorwürfe und Gegenvorwürfe, bis hin zur Behauptung, die USA hätten Rebellen trainiert, die eigenen Leute zu vergasen, sind jedoch nur weitere Details der syrischen Tragödie. Wenn die USA nun wie am 7. April 2017 punktuell mit ein paar Raketenschlägen intervenieren, wird dies nichts ändern. Das nächste Gemetzel nach Homs, Ost-Aleppo und Ost-Ghouta wird in Dera’a und Idlib stattfinden, wo die letzten Rebellenhochburgen sind. Und wieder wird die Welt zusehen, wie sich Geschichte wiederholt. Russland handelt in Syrien wie in seinen Tschetschenien-Kriegen. Die Islamisten von damals zogen weiter – Zigtausende davon sind bis heute in Syrien.

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