Politik Leitartikel: Auf eigene Rechnung

Sigmar Gabriel baut das Außenministerium gerade zur

Nebenwahlkampfzentrale um. Und hebt damit die

Schwächen des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz hervor. Merkels Spitze gegen US-Präsident Trump wurde von Gabriel brachial um ein paar Nummern verschärft.

Sigmar Gabriel ist derzeit so beliebt, wie er es als SPD-Vorsitzender nie war. Im Politbarometer heimst er mehr Sympathie ein als Kanzlerkandidat Martin Schulz. Die Erklärungsversuche der SPD für dieses Phänomen sind nicht überzeugend. Dort heißt es, Außenminister seien ohnehin bei den Leuten immer beliebt, weil sie niemandem etwas politisch zumuten und oft mit staatstragenden Worten zu vernehmen sind. Das trifft auf Gabriel nur bedingt zu. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Frank-Walter Steinmeier verzichtet Gabriel häufig auf diplomatisches Geplänkel und redet pointiert und verständlich. Gabriel hat erkannt, wie er sein Amt nutzen kann – einerseits für die Partei, andererseits aber auch für sich persönlich. Dabei nimmt er keine Rücksicht auf Verluste. Der Außenminister sucht den Konflikt mit der Union auf vielen Feldern und genießt seine kleinen Triumphe still. Währenddessen ringt Kanzlerkandidat Schulz um Aufmerksamkeit, spürt aber, wie nützlich ein Regierungsamt sein könnte. Dabei sollte doch gerade diese Konstellation den Erfolg bringen. Ohne sich der Richtlinienkompetenz der Kanzlerin unterwerfen zu müssen – so der Plan –, rückte die SPD Schulz in die offene Position, um sich frank und frei in den Wahlkampf zu werfen. Dass dies nicht so wahrgenommen wird, liegt vor allem an Sigmar Gabriel, der im Moment den Ton für die SPD vorzugeben scheint – und das buchstäblich. Wer kommentierte am Abend der Präsidentenwahl in Frankreich den Sieg von Europas Hoffnungsträger Emmanuel Macron? Nicht etwa der frühere Europapolitiker und jetzige Parteichef Schulz, sondern sein Vorgänger. Gabriel fing Macron bei seinem Besuch in Berlin am Flughafen ab, noch bevor Angela Merkel den Gast begrüßen konnte. Das mag kindisch erscheinen, aber die Bilder liefen in den Nachrichten. Gleichzeitig propagierte der Außenminister bereits einen Plan, als die Kanzlerin noch die Wahlprognosen aus Paris studierte. Gabriels „Initiative für Zukunftsinvestitionen“, sein Papier „Élysée 2.0“, das die deutsch-französische Zusammenarbeit verbessern soll – all das kommt aus der Denkfabrik des Auswärtigen Amtes. Das Ministerium mutiert zu einer Nebenwahlkampfzentrale der SPD. Gabriel sucht gezielt Schwachpunkte der Union, um anzugreifen. In der Frage der Griechenland-Hilfen stellte er sich gegen Finanzminister Wolfgang Schäuble. Mag sein Plan für Schuldenerleichterungen auch noch so abwegig sein, es ist Gabriel, der damit Schlagzeilen macht. Auch in der Debatte über den richtigen Umgang mit dem türkischen Präsidenten Erdogan setzte er noch eine Drohung drauf: Nicht nur aus Incirlik, auch aus Konya sollten die deutschen Soldaten abziehen, falls Erdogan den Bundestagsabgeordneten das Besuchsrecht verweigert. Und Merkels Spitze gegen US-Präsident Trump wurde von Gabriel brachial um ein paar Nummern verschärft. Hauptsache im Gespräch. Der Ex-SPD-Chef hat in seinem Gespür für Stimmungen früher als andere erkannt, dass es ein Fehler war, Schulz während der jüngsten Landtagswahlkämpfe auf bundespolitische Diät zu setzen. Der größte Politikerkult der letzten Jahre wurde von der SPD ohne Not verzockt. Nun tut Gabriel, was er am besten kann: Er stellt den politischen Gegner punktgenau, was im Gegenzug die Schwächen des Kanzlerkandidaten um so deutlicher hervorhebt. Doch Gabriel arbeitet auch auf eigene Rechnung, so wie 2013. Als er Peer Steinbrück abgeschrieben hatte, brachte er sich selbst als Vizekanzler einer CDU-geführten großen Koalition in Stellung.

x