Politik Kommentar: Merkels klare Kante

Die kritischen Worte der Kanzlerin in Richtung USA lassen aufhorchen. Was daraus folgt, entscheidet sich bei den Wahlen in Frankreich und Deutschland.

Nein, Donald Trump ist kein verlässlicher Partner. Da hat Angela Merkel recht, auch wenn sie seinen Namen ja nicht in den Mund nimmt, wenn sie sagt, die Europäer könnten sich nicht mehr so auf „andere“ verlassen. Selbstherrlich, ungeduldig und in den Sachthemen irrlichternd, strapaziert Trump nicht nur Merkels Nervenkostüm. Die Mehrheit der Amerikaner ist verzweifelt. Trumps eigenes Team ist ständig damit beschäftigt, die fehlende Amtsreife des US-Präsidenten zu kompensieren. Und doch muss man die Kirche im Dorf lassen. Unter George W. Bush gab es wegen des Irakkriegs 2003 ein eklatantes Zerwürfnis mit Berlin. Es folgte Barack Obama, unter dem längst nicht alles harmonisch war (NSA-Affäre, Drohnenkrieg). Bei aller Sorge ums transatlantische Verhältnis – Trump redet zwar ideologisch, ist aber Pragmatiker und kann seine Meinung wechseln wie das Oberhemd. Irgendwann wird er zum Beispiel verstehen, dass erneuerbare Energien den USA viel mehr Jobs bringen als die Kohleindustrie. Warten auf das Erwachsenwerden eines 70-Jährigen – das reicht natürlich nicht. Insofern tut Kanzlerin Merkel gut daran, klare Worte zu finden. Trump wird die EU nur respektieren, wenn er sie als mächtig wahrnimmt. Da ist freilich Skepsis angebracht. Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sind bereit, mehr Europa zu wagen. Aber in so mancher EU-Hauptstadt wird dies mitnichten goutiert. Ob Merkel und Macron von ihren Bürgern ein parlamentarisches Mandat für ihren Kurs erhalten, wird sich bald zeigen.

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