Meinung Klimaaktivisten nerven, sind aber keine Terroristen

Klimaaktivisten sind unbequeme Protestierer. Manche wollen sie kriminalisieren.
Klimaaktivisten sind unbequeme Protestierer. Manche wollen sie kriminalisieren.

Zu Recht ist der Begriff „Klimaterroristen“ als Unwort des Jahres 2022 ausgewählt worden

Sie kleben sich auf Autobahnzufahrten fest, sie schütten Suppe über Gemälde und sie kippen Kohlebrocken vor Parteizentralen. Klimaaktivisten sind einfallsreich, wenn es darum geht, auf ihre Ziele aufmerksam zu machen. Und dabei nerven sie gewaltig. Weil sie uns provozieren, weil sie selbstgefällige Besserwisser sind und nicht begreifen, dass sie die Masse der Menschen mit ihren Aktionen nicht überzeugen.

Wer aus ihnen aber „Terroristen“ macht, kriminalisiert jene, die gewaltlosen Protest ausüben, und setzt sie mit Menschen gleich, die über Leichen gehen. Man erkennt die Absicht, und ist verstimmt. Zu Recht hat die Jury aus Sprachwissenschaftlern der Universität Marburg den Begriff „Klimaterroristen“ zum Unwort des Jahres 2022 erklärt. Der Begriff wertet vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Klimawandel eine Gruppe mit nachvollziehbaren Zielen pauschal ab und verharmlost echten Terror. Doch demokratischer Widerstand – und sei er noch so unwillkommen und unbequem – ist kein staatsfeindlicher Akt.

Dobrindt warnte vor „Klima-RAF“

Dass die sozialen Medien und die Kanäle rechter Parteien voll mit solchen und ähnlichen Begriffen sind, verwundert nicht. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Zuspitzung auch bürgerliche Parteien erreicht hat. Gerade erst am Sonntag hat der CSU-Politiker Alexander Dobrindt seine Warnung vor einer „Klima-RAF“ erneuert. Die linksextremistische Rote-Armee-Fraktion, auf die Dobrindt anspielt, war verantwortlich für mindestens 33 Morde an Führungskräften aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung, deren Fahrern, an Polizisten, Zollbeamten und amerikanischen Soldaten. Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang hatte Dobrindts Wortwahl schon im November „aus meiner fachlichen Perspektive“ als Nonsens bezeichnet. Übrigens: Dobrindts Kampfbegriff von der „Anti-Abschiebe-Industrie“ war Unwort des Jahres 2018.

Auch CDU-Chef Friedrich Merz steuerte im vergangenen Jahr ein Unwort bei: Auf den zweiten Platz wählte die Sprachjury den Begriff „Sozialtourismus“. Merz hatte im Herbst in Verbindung mit Flüchtlingen aus der Ukraine verwendet und sich später dafür entschuldigt. Die Sprachwissenschaftler sehen in dem Begriff eine Diskriminierung von Kriegsflüchtlingen. Die Wortschöpfung zeigt, wie sich der politische Diskurs sprachlich und in der Sache nach rechts verschoben hat.

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