Politik Glanz und Klartext im französischen Königsschloss

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron beeindruckt beim Besuch des russischen Kollegen Wladimir Putin in Versailles mit einem couragierten Auftritt.

Ganz nach dem Geschmack Wladimir Putins ist das. Er fährt durch ein goldenes Tor, schreitet über roten Teppich, erblickt im Innern des Schlosses von Versailles noch mehr Gold, verzehrt ein vom Sternekoch Alain Ducasse kredenztes Mahl. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron bot seinem imperialen Prunk schätzenden russischen Kollegen gestern einen Empfang, der so schon lange keinem ausländischen Staatenlenker mehr zuteil wurde. Was folgte, war aus Sicht des Kremlherrschers weniger glanzvoll. Der Gastgeber redete Klartext, nicht nur hinter verschlossenen Türen, sondern auch bei der anschließenden Pressekonferenz. Von einer „extrem direkten, extrem offenen Diskussion“ berichtete der Franzose und brachte auch Themen zur Sprache, die der Gast vor allem als extrem ärgerlich empfunden haben dürfte. Macron hob hervor, wie wichtig für Frankreich „die Achtung aller Menschen, aller Minderheiten“ sei und fügte hinzu, dass Putin ihm eine Untersuchung der Vorfälle in Tschetschenien zugesichert habe, wo Homosexuelle behördlicher Verfolgung ausgesetzt sind. Macron zog im Syrienkonflikt „rote Linien“, deren Überschreitung „sofortige Repressalien nach sich ziehen“ würden. Der Einsatz von Chemiewaffen zählt für Frankreichs Staatschef dazu oder auch die Missachtung der Korridore für humanitäre Hilfe. Er könne sich den Erhalt des syrischen Staates in Verbindung mit einem demokratischen Machtübergang verstellen, sagte Macron. Zur Entschärfung der Ukrainekrise forderte der Präsident ein Treffen der Unterzeichner des Minsker Friedensabkommens. Neben Frankreich und Russland sind das Deutschland und die Ukraine. Und Macron sagte, was er von den Putin verbundenen Medien „Sputnik“ und „Russia Today“ hält, die sich in den französischen Wahlkampf eingeschaltet, Macron verleumdet hatten: „Das sind keine Medien, das sind Lügen verbreitende Propaganda-Organe.“ Der russische Gast wich aus, wich zurück, erinnerte daran, dass es bei allen Divergenzen auch noch Einvernehmliches gebe. Der Kampf gegen den Terror gehört dazu, den auch Macron als „oberste Priorität“ auswies. Man könne nicht gegen den Terror kämpfen, wenn man den syrischen Staat zerstöre, fügte Putin hinzu. Dann benutzte auch er das zuvor von Macron so häufig verwendete Wort „Unverständnis“. Um es auf beiden Seiten abzubauen, gelte es den Jugendaustausch zu fördern, sagte der Kremlchef. Der nach Nato- und G-7-Gipfel außenpolitisch gestählte Gastgeber hat somit eingelöst, was er im Vorfeld der Zusammenkunft versprochen hatte: Festigkeit werde er an den Tag legen, den Gast mit hohen Anforderungen konfrontieren. Er und Putin haben Kontakt aufgenommen, einander kennengelernt, klaren Tisch gemacht. Sie wissen jetzt, woran sie miteinander sind. Während Macrons Vorgänger François Hollande dem russischen Präsidenten im Oktober noch erzürnt über Moskaus Vorgehen in Syrien die Tür gewiesen hatte, zieht der Nachfolger den, wie er sagt, „offenen und klaren Gedankenaustausch“ vor. Wobei sich Macron und Putin nach der bezeichnenderweise in der Schlachtengalerie des Palastes stattfindenden Pressekonferenz in ruhigere Gefilde absetzten. Im benachbarten Gartenschloss Grand Trianon eröffneten sie die Ausstellung „Peter der Große, ein Zar in Frankreich“. An den 300 Jahre zurückliegenden Besuch des Zaren erinnert sie, der in Versailles den Grundstein für gedeihliche französisch-russische Beziehungen legte.

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