Gipfel in Vilnius Erdogan: Welchen Preis die EU für Schwedens Nato-Beitritt zahlen soll

Präsident Recep Tayyip Erdogan (hinten) und Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine.
Präsident Recep Tayyip Erdogan (hinten) und Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine.

Die 31 Nato-Mitglieder treffen sich ab dem heutigen Dienstag im litauischen Vilnius. Wird die Türkei ihr „Nein!“ zu Schwedens Nato-Beitritt aufgeben? Wahrscheinlich nicht. Präsident Erdogan stellt plötzlich Forderungen – an die EU.

Am Morgen vor dem Gipfel sah die Welt für die Bundesregierung noch rosa-rot schön aus: Befragt, wie sich die Türkei zum Nato-Beitrittsgesuch Schwedens auf dem Gipfel in Vilnius verhalten werde, gaben sich Regierungskreise optimistisch: „Die Bundesregierung ist zuversichtlich, dass es im Laufe der nächsten Tage zu einer positiven Entwicklung kommt, die den Weg öffnen wird für eine schwedische Mitgliedschaft“, hieß es aus Kanzleramtskreisen.

Kalte Dusche

Wenige Stunden später die kalte Dusche. Vor seinem Treffen mit dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson knüpfte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sein Ja für Schwedens Nato-Beitritt an die Bedingung, Brüssel müsse die Beitrittsgespräche der Türkei zur EU wieder aufnehmen. Nach eigenen Aussagen hat Erdogan diese Position auch gegenüber US-Präsident Joe Biden vertreten. Nachrichtenagenturen zufolge richtete Erdogan vor seinem Abflug nach Vilnius folgende Worte an die EU: „Ebnet zunächst den Weg der Türkei in die Europäische Union, danach ebnen wir den Weg für Schweden, so wie wir ihn für Finnland geebnet haben.“

Die Türkei und Ungarn blockieren den Nato-Beitritt Schwedens. Ankara wirft Stockholm vor, „Terroristen“ zu beherbergen. Damit sind insbesondere Mitglieder der kurdischen PKK gemeint. Die EU-Beitrittsgespräche sind seit dem Militärputsch gegen die türkische Regierung im Jahr 2016 ausgesetzt.

35.000 deutsche Soldaten in hoher Bereitschaft

Wie es nun auf dem Gipfel weitergehen wird, hat sich bis Redaktionsschluss nicht abgezeichnet. Der Türkei/Schweden-Komplex ist allerdings nur ein Thema auf der Tagung. Ein weiteres ist die Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses.

Aus Regierungskreisen heißt es, Deutschland spiele bei der Umsetzung neuer Nato-Pläne eine „sehr wichtige Rolle“. So sollen bis zum Jahr 2025 rund 35.000 deutsche Soldaten in Einheiten zusammengezogen sein, die in „hoher“ oder „höchster“ Bereitschaft stehen. Damit würden sie zu den Truppenteilen des Bündnisses gehören, die im Ernstfall als erste in den Einsatz gingen. Ferner hieß es, Deutschland werde ab 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungszwecke ausgeben.

Ein weiteres Thema ist die Ukraine. Das Land sowie einige Nato-Mitglieder drängen auf den baldigen Beitritt zum westlichen Verteidigungsbündnis. Dem hat US-Präsident Joe Biden allerdings eine Absage erteilt. Gleichwohl sollen der Ukraine Sicherheitsversprechen gegeben werden. Befragt, was das bedeute, hieß es aus Regierungskreisen: Das Land solle befähigt werden, sich selbst militärisch verteidigen zu können. Deutschland werde in Vilnius eine „substanzielle Ankündigung“ über ein neues Waffenpaket machen.

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