LEITARTIKEL Ein Sieg ist nicht sicher

Labour-Chef Keir Starmer.
Labour-Chef Keir Starmer.

Im kommenden Jahr wird in Großbritannien gewählt. Zwar führt Labour in den Umfragen und siechen die Konservativen dahin. Doch ob es am Ende für einen Machtwechsel reicht, steht in den Sternen.

Rishi Sunak versuchte einen Witz. Bei einem vorweihnachtlichen Empfang in der Downing Street scherzte der britische Premierminister mit seinen Gästen, dass er ihnen den Termin für die nächsten Wahlen verraten könne. Die Augen der anwesenden Journalisten leuchteten auf. „Irgendwann im nächsten Jahr“, grinste Sunak, der dies als Premier festlegen kann, und die Zuhörer waren wenig amüsiert.

Freilich haben auch die Torys nichts zu lachen, wenn es um die nächsten Wahlen geht. Die Konservative Partei erzielt derzeit grottenschlechte Umfragewerte. Diese liegen zwischen 15 und 20 Prozentpunkte hinter den Werten der Labour-Partei. Ein Grund dafür ist offensichtlich: Die Konservativen sind schon über 13 Jahre an der Macht. Viele sind ihrer überdrüssig. Aber es gibt noch andere, inhaltliche Gründe. Beispielsweise der von den Konservativen in die Wege geleitete Brexit und seine Folgen. Dann war da noch der Partygate-Skandal während Corona, als der damalige Premier Boris Johnson zumindest nicht einschritt, als Regierungsmitarbeiter die Regeln nicht einhielten.

Furioser Sieg Tony Blairs

Ein krachender Verlust bei den nächsten Wahlen, so scheint es, ist nicht zu verhindern. Aber ist das wirklich so? Ist der Labour-Sieg sicher? Kann nicht doch noch etwas schiefgehen? Man kann nun trefflich darüber spekulieren, über was die Partei stolpern könnte. Doch sinnvoller ist es, sich darüber klar zu werden, welchen Berg Labour sinnbildlich erklimmen muss, um eine absolute Mehrheit im Unterhaus zu erlangen. Wahlforscher weisen darauf hin, dass dies eine Veränderung im Wahlverhalten voraussetzen würde, wie es sie seit 1945 niemals gegeben hat. Ja, selbst der furiose Sieg von Tony Blair 1997, als er die Konservativen von der Macht verdrängte, müsste in seiner Dynamik noch übertroffen werden.

Eine wichtige Voraussetzung für einen solchen Wahlerfolg in ganz Großbritannien wäre die Renaissance der Labour-Partei in Schottland. Dort hat die (frühere) Arbeiterpartei noch ganze zwei Mandate. Mittlerweile dominiert die Scottish National Party (SNP), die – wie der Name schon sagt – sich auf die nationale Identität des Landes fokussiert. Freilich schwächelt die SNP wegen eines im Februar ans Tageslicht gekommenen Skandals. Profitiert davon hat Labour. Hält der bei Umfragen zu beobachtende Trend an, kann Labour darauf hoffen, in Schottland im nächsten Jahr bis zu 40 Sitze zu holen.

Heftiger Widerspruch bei Muslimen

Doch Labours Schicksal entscheidet sich eben nicht nur in Schottland. Wichtig ist auch, was sich im Umfeld des Gazakriegs abspielt. Die Position von Labour-Chef Keir Starmer, der sich lange weigerte, einen Waffenstillstand zwischen Israel und Palästinensern zu fordern, hat großen Unmut bei vielen Parteigenossen ausgelöst. Bei vielen Parteiaktivisten, die in der Regel weiter links angesiedelt sind, kommt Starmers demonstrative Solidarität mit Israel nicht gut an.

Doch Starmers Positionierung im Nahost-Konflikt hat auch heftigen Widerspruch bei Muslimen, einer wichtigen Gruppe in der Wählerschaft, hervorgerufen. Um deren Unterstützung sorgen sich nun viele Labour-Politiker. Das Rennen zwischen Konservativen und Labour um die Macht im Vereinigten Königreich, so viel steht daher fest, ist alles andere als gelaufen.

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