Politik Ein Köder für die Konservativen

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat gestern den Konservativen Edouard Philippe zum Premierminister ernannt. Der neue Regierungschef hat enge Verbindungen zu Deutschland: Er hat in Bonn sein Abitur gemacht und spricht gut Deutsch.

Emmanuel Macron hat im Poker vor der Parlamentswahl die nächste Karte ausgespielt. Ob er die Partie gewinnt, ob er also Mitte Juni die zum Regieren und zumal zum Reformieren erhoffte absolute Mehrheit in der Nationalversammlung erzielt, ist offen. Aber eine gute Karte ist es allemal. Mit der Ernennung des Konservativen Edouard Philippe zum Premierminister hat Emmanuel Macron gestern nicht nur einen in zahllosen politischen Scharmützeln gehärteten Normannen auf seine Seite gezogen. Der Staatschef hat vor allem auch einen Köder ausgelegt, der andere Konservative verlocken soll, es dem 46-jährigen Philippe nachzutun und sich Macron und seiner Bewegung „La République en Marche“ anzuschließen. Erklärtes Ziel des von der politischen Mitte nach links und rechts ausgreifenden Staatschefs ist es, die dort beheimateten Traditionsparteien zu schwächen, ihnen einflussreiche Mitglieder abspenstig zu machen. Im Fall der Sozialisten ist der Plan aufgegangen. In Scharen verlassen die Genossen das zwischen Sozialismus und Sozialdemokratie dahinschlingernde Parteischiff. Die konservativen „Republikaner“ hatten Macrons Werben bisher weitgehend widerstanden. Mit der Präsentation Philippes kann Macron nun den ersten hochkarätigen Überläufer vorweisen. Abtrünnigen winkt reicher Lohn, lautet die Botschaft des Staatschefs. Hochkarätig ist Philippe nicht, weil er politisch bereits viel bewegt hat, sondern weil man ihm dies zutraut. Macron, auf dem große Hoffnungen ruhen, hat einen Hoffnungsträger abgeworben. Seit 2010 ist Philippe Bürgermeister der nordfranzösischen Hafenstadt Le Havre, seit 2012 außerdem Abgeordneter der Nationalversammlung. So richtig ins Rampenlicht getreten ist der Mann mit dem dunklen Vollbart und den dunklen Augen freilich erst, als er seinem langjährigen Mentor Alain Juppé 2016 im Vorwahlkampf beistand. Als Sprecher des lange Zeit als Favorit auf die Präsidentschaftskandidatur der Konservativen gehandelten Politikers heuerte Philippe an. Statt Juppé, des einer offenen, toleranten Gesellschaft das Wort redenden Bürgermeisters von Bordeaux, machte dann freilich der Rechtskonservative François Fillon das Rennen. Wie Macron hat Philippe die Verwaltungshochschule ENA besucht. Jene Kaderschmiede ist das, deren Absolventen traditionell das Gros der französischen Spitzenpolitiker stellen. Philippes elegante Erscheinung, sein gelegentlich autoritäres Auftreten sind für ENA-Abgänger nicht eben untypisch. Wobei der Sohn einer Lehrerin und eines Lehrers auch über Gaben verfügt, die an der ENA nicht gelehrt werden: Äußerst humorvoll ist er. Wenn er in vertrauter Runde die Stimme des Altpräsidenten Nicolas Sarkozy nachahmt, biegt sich das Publikum vor Lachen. Zu Hoffnungen berechtigt auch, dass Philippe in Bonn Abitur gemacht hat. Macron, der gestern Abend die Bundeskanzlerin besuchte, mit der er Europa voranbringen und festigen will, dürfte von den Sprach- und Landeskenntnissen seines Premiers profitieren. Für Merkel gilt das Gleiche. Soll Philippe bleiben, was er nun ist, Premierminister nämlich, muss Macron allerdings den Wahlkampfpoker endgültig für sich entscheiden. Sollten die Konservativen und ihre Verbündeten in der Nationalversammlung die Mehrheit erzielen, hätten sie bei der Besetzung des Premierministerpostens das letzte Wort. Der neue Amtsinhaber müsste gut einem Monat nach dem Einzug im Regierungspalast dann schon wieder die Koffer packen.

x