Politik Die treibende Kraft im Digitalen

Gezähmter Gigant: Google wurde wegen unfairer Geschäftspraktiken von Brüssel zu milliardenschweren Strafzahlungen verdonnert.
Gezähmter Gigant: Google wurde wegen unfairer Geschäftspraktiken von Brüssel zu milliardenschweren Strafzahlungen verdonnert.

Die EU macht das Internet kaputt. Dieser Vorwurf wurde in der jüngsten Debatte um die neue Richtlinie zum Urheberrecht und die gefürchteten Uploadfilter laut. Das mag die Auswirkungen der Brüsseler Gesetzgebung in diesem konkreten Fall überzeichnen. Doch richtig ist, dass sich die Union in Fragen der Digitalpolitik zu einem gewichtigen Akteur entwickelt hat. Das geht nicht ohne Konflikte ab.

„Was haben uns die Römer jemals gebracht?“ Eine rhetorisch gemeinte Frage, die der Anführer einer jüdischen Widerstandsgruppe im legendären Monty-Python-Film „Das Leben des Brian“ stellt. Und auf die seinen Kumpanen dennoch unablässig neue Antworten einfallen – von der Kanalisation über die Hygiene bis zum Wein. Denkt man den heftigen Streit, ob das Netz zum Schutz der Urheberrechte gefiltert werden muss, könnten die vehementen Gegner dieses regulierenden Eingriffs ebenfalls abschätzig fragen: „Was hat uns die EU im Digitalbereich jemals gebracht?“ Doch wie in der erwähnten britischen Komödie kommt da durchaus einiges Positives zusammen. Für Verbraucher wahrscheinlich am bedeutsamsten war die Abschaffung der Zusatzgebühren, wenn man mit seinem Mobilfunkvertrag im Ausland telefoniert (Roaming). Zudem können mittlerweile Onlinedienste über Grenzen hinweg genutzt werden, regionale Sperren (Geoblocking) wurden teilweise beseitigt. Das sind zwei Beispiele, die dem übergeordneten Ziel der EU dienen sollen, einen digitalen Binnenmarkt in Europa zu schaffen. Wie für Waren und Dienstleistungen allgemein sollen auch im digitalen Bereich Barrieren fallen, sollen die 28 nationalen Märkte enger zusammenrücken. Unter diese Bemühungen fällt auch die umstrittene Modernisierung des Urheberrechts. Darum wurde lange und hart gerungen. Kritiker der Richtlinie fürchten vor allem, dass auf Plattformen wie Youtube künftig eine Infrastruktur zum Filtern von Inhalten zum Einsatz kommen muss, was letztlich auf eine Einschränkung der freien Meinungsäußerung hinauslaufe. Hier zeigte sich eine zentrale Konfliktlinie in der EU-Digitalpolitik: der Gegensatz zwischen wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Interessen – in diesem Fall konkret ein florierender Markt mit Regeln für die Nutzung geistigen Eigentums gegenüber Forderungen nach einem „freien“ Internet ohne äußere, insbesondere politische Einflussnahme. Bei der 2016 verabschiedeten und seit einem Jahr EU-weit gültigen Datenschutzgrundverordnung ließ sich der Konflikt in leicht abgewandelter Konstellation beobachten. Große Internetkonzerne machten ihren Einfluss geltend, weil sie Einschränkungen des Geschäftsbetriebs fürchteten, während Datenschützer auf einen besseren Schutz der Privatsphäre pochten. Inzwischen gilt die Verordnung als modellhaft und Wettbewerbsvorteil für europäische Unternehmen. Grundsätzlich sind EU-Kommission und Mitgliedstaaten in solchen Fragen häufiger wirtschaftsfreundlicher ausgerichtet, das EU-Parlament vertritt eher eine bürgerrechtliche Position. Wie heftig um Regelwerke aus Brüssel gefochten wird, belegt jedenfalls die Bedeutung der EU in digitalpolitischen Fragen. Weitere Beispiele sind das vom Europäischen Gerichtshof postulierte „Recht auf Vergessenwerden“ oder hohe Strafzahlungen, mit denen die Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager Google wegen unfairer Geschäftspraktiken in die Schranken wies. Gerade den Internetriesen aus den USA wie Amazon, Facebook und Co. Paroli kann die EU besser Paroli bieten als die einzelnen Mitgliedstaaten. An Aufgaben wird es ihr nicht mangeln. Schutz vor Cyberangriffen, Kampf gegen Online-Terrorpropaganda und Fake-News-Kampagnen, Einsatz künstlicher Intelligenz, eine vernünftige Besteuerung von Digitalunternehmen – diese Fragen erfordern EU-weite Antworten, da im prinzipiell grenzenlosen Internet nur noch grenzüberschreitend etwas erreichen lässt. Info Am 26. Mai wird das Europäische Parlament neu gewählt. Die Wähler in Deutschland entscheiden darüber, wie die 96 auf Deutschland entfallenden Mandate besetzt werden. Wie „Europa“ unser Leben bestimmt, zeigt diese Serie, deren bisherige Teile am 16., 25. und 29. April sowie am 2., 6. und 14. Mai erschienen sind.

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