Südafrika Brics-Gipfel in Johannesburg: Ein Hauch von Kaltem Krieg

Johannesburg ist bereit für den dreitägigen Gipfel der Brics-Staaten.
Johannesburg ist bereit für den dreitägigen Gipfel der Brics-Staaten.

Beim Brics-Gipfel in Südafrika steht die Erweiterung der Gruppe im Vordergrund. Die Allianz aufstrebender Volkswirtschaften will den Westen schwächen und den Welthandel neu gewichten. Für Russland wäre „Brics plus“ ein Weg aus der Isolation.

Nach dem Gipfeltreffen der Brics-Staaten in Johannesburg könnte die Welt eine andere sein. Die fünf Staatschefs wollen bei ihrem am Dienstag beginnenden dreitägigen Treffen vor allem über die Erweiterung ihres Bündnisses entscheiden: 23 Länder haben bereits ihren Willen zu einem Beitritt bekundet. Die Liste verrät, in welche Richtung sich der Staatenbund bewegen würde. Denn zu den Kandidaten gehören der Iran, Kuba, Weißrussland und Venezuela. Deren Regierungen machen aus ihrer Abneigung gegen die „Hegemonialherrschaft“ der USA und ihrer angeblichen Vasallen keinen Hehl und würden den Staatenbund noch deutlicher zum Bollwerk gegen die Dominanz des Westens ausrichten.

Die Brics-Erweiterung drohe zu einer zunehmenden Spaltung der Welt wie während des Kalten Kriegs zu führen, warnt selbst der Ministerialdirektor im südafrikanischen Außenministerium, Zane Dangor: „Wenn wir eine Politik der Einflusszonen zementieren, geht das auf Kosten der Entwicklung und des Friedens.“

Das Kap war als Brückenkopf für Afrika gedacht

Bric wurde 2009 gegründet, damals noch mit den vier Mitgliedern Brasilien, Russland, Indien und China – ein Jahr später kam Südafrika als fünftes Rad am Wagen hinzu. Auf die Idee einer Allianz war ausgerechnet ein westlicher Banker gekommen, der damalige Chefökonom von Goldman Sachs, Lord Jim O’Neill. Ihm schwebte ein wirtschaftlicher Zusammenschluss der großen, schnell wachsenden Schwellenländer vor – wobei die südafrikanische Wirtschaft weder groß ist noch schnell wächst. Das Kap war jedoch als Brückenkopf für den afrikanischen Kontinent gedacht. Nicht zufällig lädt Pretoria zu jedem in Südafrika stattfindenden Gipfel alle afrikanischen Staatschefs ein.

Schon vor einer Erweiterung repräsentiert Brics 42 Prozent der Weltbevölkerung: rund 3,2 Milliarden Menschen. Doch auch wenn die fünf Staaten für 20 Prozent des Welthandels verantwortlich sind, ist der Zusammenschluss kein Handelszusammenschluss. Der Warenverkehr zwischen seinen Mitgliedern macht nur sechs Prozent ihres gesamten Handels aus.

China und Indien in Feindschaft vereint

O’Neill hatte Bric als Wirtschaftsallianz ins Auge gefasst: Denn im ersten Jahrzehnt des neuen Millenniums war den vier Gründungsstaaten ein rasantes Wirtschaftswachstum gemein. Doch keines der Länder war im Club der Industrienationen G7 vertreten, für den O’Neill nur Verachtung übrig hatte. Deren Hybris sei „peinlich“. Ihr Einfluss, so erklärte er, nehme auch wegen der Dauerstagnation Japans und Italiens ständig ab, während die Brics-Staaten auf der Überholspur fuhren.

Das war bis zu Beginn der 2010er Jahre so: Dann sackten Russland und Brasilien ab, während der Zwerg Südafrika dazukam. Als Wachstumsmotoren blieben nur China und Indien. Doch die stehen sich nicht nur an ihrer gemeinsamen Grenze feindlich gegenüber. „Nennen Sie mir eine Sache, in der China und Indien je übereinstimmen“, sagte Banker O’Neill dem Magazin „African Business“ bissig. Als auch noch der Rechtspopulist Jair Bolsonaro in Brasilien an die Macht kam, und Putin immer nationalistischere Töne anschlug, blieb als kleinster gemeinsamer Nenner nur der Antagonismus zur G7. Brics wurde zunehmend politisch.

Die Forderung nach einer angemesseneren Repräsentation der Schwellenländer in Gremien wie dem UN-Sicherheitsrat, dem Weltwährungsfonds (IWF) oder der Welthandelsorganisation (WTO) wurden immer lauter: Tatsächlich steht der WTO heute die Nigerianerin Ngozi Okonjo-Iweala vor. Auch die Kritik am „Diktat“ von IWF und Weltbank aus den 1970er und 1980er Jahren wurde wieder aufgegriffen, unter anderem mit dem Ergebnis, dass sich Brics inzwischen eine eigene Entwicklungsbank, die „New Development Bank“ zugelegt hat.

Putin musste Teilnahme mühsam ausgeredet werden

Mit der Zuspitzung des Machtkampfs zwischen den USA und China wurden die Töne noch schriller. Und als Russland in der Ukraine einmarschierte, war es um die politische Unschuld des Wirtschaftsbündnisses vollends geschehen. Das brachte die drei restlichen Mitglieder in Bedrängnis: Denn Brasilien versteht sich nicht als westlicher Antipode und hat mit der Brics-Erweiterung auch die größten Schwierigkeiten. Südafrika droht zwischen den alten pro-russischen Befreiungskämpfern des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) und der prowestlichen Geschäftswelt innerlich zerrissen zu werden. Und Indien sieht sich spätestens seit dem Washington-Besuch seines Premierministers Narendra Modi im Juni einer massiven Charmeoffensive der US-Regierung ausgesetzt. Modi musste denn auch von Gastgeber Cyril Ramaphosa überredet werden, persönlich zum Gipfel nach Johannesburg zu kommen – wie Putin zu einer Absage überredet werden musste. Denn der russische Präsident bestand auf seiner Teilnahme.

Seit der Einladung Anfang des Jahres hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Putin allerdings wegen der Verschleppung ukrainischer Kinder angeklagt und Haftbefehl gegen ihn erlassen. Weil Südafrika zu den Unterzeichnern der dem Gerichtshof zugrundeliegenden Römischen Verträge zählt, wäre Pretoria verpflichtet gewesen, Putin bei seiner Ankunft auf dem Flughafen von Johannesburg sofort zu verhaften. Südafrikas Präsident Ramaphosa brauchte sein ganzes Geschick als angesehener Verhandlungsprofi, um den russischen Präsidenten doch noch zur Absage seines Besuchs zu bewegen. Er wird jetzt nur virtuell am Gipfel der insgesamt 67 Staats- und Regierungschefs teilnehmen, leiblich vertreten von Außenminister Sergej Lawrow.

Auch wenn Indiens Regierung versichert, grundsätzlich nichts gegen eine Brics-Erweiterung zu haben: Spätestens wenn es um die konkreten Bedingungen für eine Mitgliedschaft geht, wird sich die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt wieder ihrer Rivalität mit China besinnen.

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