Politik Brexit: Einigungsversuch der Chef-Unterhändler scheitert

Chef-Unterhändler der britischen Seite: Dominic Raab.
Chef-Unterhändler der britischen Seite: Dominic Raab.

«Brüssel/London.» Die Hoffnung, die Verhandlungen über den Austrittsvertrag des Vereinigten Königreichs aus der EU noch vor dem am Mittwoch beginnenden EU-Gipfel abzuschließen, hat gestern einen Dämpfer erhalten.

Nachdem die Gespräche das ganze Wochenende über fortgesetzt worden waren, trafen die Chef-Unterhändler der EU und Großbritanniens, Michel Barnier und Dominic Raab, gestern Abend in Brüssel zusammen. Dabei blieb das zentrale Problem aber ungelöst. In der Frage zum künftigen Umgang mit Nordirland gebe es weiterhin keine Einigung, teilte EU-Chefunterhändler Michel Barnier nach dem Gespräch mit. „Trotz intensiver Bemühungen sind einige Schlüsselfragen noch ungelöst, darunter die des ,Sicherheitsnetzes’ zur Vermeidung einer harten Grenze“ zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland, erläuterte Barnier. Aus Diplomatenkreisen hieß es, dass es nun bis zum Treffen der Staats- und Regierungschefs am Mittwochabend keine weiteren Verhandlungen mehr zwischen beiden Seiten gebe. Die Ergebnisse der Verhandlungen sollen heute Vertretern der EU-Staaten vorgestellt und in den Hauptstädten diskutiert werden. Am schwierigsten ist die Lösung für Irland. Ziel ist es, Grenzkontrollen zwischen der Republik Irland und der zu Großbritannien gehörenden Provinz Nordirland möglichst zu vermeiden, wenn die 21-monatige Übergangsphase nach dem Austritt des Landes aus der EU Anfang 2021 definitiv vorüber ist. Grenzkontrollen könnten, so die Befürchtung auf beiden Seiten, den Frieden zwischen protestantischen Unionisten und katholischen Republikanern in Nordirland gefährden. Zwischen London und Brüssel soll daher eine Auffanglösung („Backstop“) für Irland gefunden werden. Im Gespräch ist offenbar nun, dass das gesamte Vereinigte Königreich vorübergehend noch in der Zollunion bleibt. Bei dieser Lösung wären zumindest keine Zollkontrollen zwischen Nordirland und der Republik Irland nötig. Brüssel hatte bisher gefordert, die gesamte irische Insel weiterhin im EU-Binnenmarkt und damit auch in der Zollunion zu belassen. London hat sich immer gegen diese Lösung ausgesprochen, weil damit Zollkontrollen zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs nötig würden und auf diese Weise womöglich die Abspaltung Nordirlands vom Königreich vorangetrieben werde. Die britische Premierministerin Theresa May hatte dagegen im Sommer vorgeschlagen, dass Nordirland beim Warenverkehr im Binnenmarkt bleibe und lediglich bei den Dienstleistungen aussteige. Eine andere Frage ist, ob ein von den Unterhändlern beider Seiten erzielter Kompromiss auch von der britischen Regierung und vom Parlament mitgetragen würde. Die nordirische DUP, auf deren Abgeordnete im Londoner Unterhaus die britische Premierministerin May angewiesen ist, hat am Freitag ausgeschlossen, dass das ganze Vereinigte Königreich zumindest vorübergehend in der Zollunion bleiben könne. May steht zudem in ihrer Partei sowohl vonseiten der Brexit-Befürworter unter Druck, die ihr zu viel Entgegenkommen gegenüber Brüssel vorwerfen, als auch von jenen, die lieber enger mit der EU kooperieren würden. Großbritannien will die EU am 29. März 2019 verlassen. Der Austrittsvertrag und eine politische Erklärung über die künftigen Beziehungen müssen indes schon früher stehen, um Zeit für die Zustimmung der Parlamente zu lassen. Wenn es keine Übereinkunft gibt, entfällt auch die vorläufig vereinbarte Übergangsfrist bis Ende 2020, während der sich fast nichts ändern soll.

Leitet die Verhandlungen aufseiten der EU: Michel Barnier.
Leitet die Verhandlungen aufseiten der EU: Michel Barnier.
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