Leitartikel Abhöraffäre bei Bundeswehr: Alle Karten auf den Tisch!

Taurus-Marschflugkörper während einer Übung vor der Westküste Südkoreas.
Taurus-Marschflugkörper während einer Übung vor der Westküste Südkoreas.

Das von Russland abgehörte und veröffentlichte Gespräch belegt: Hochrangige Bundeswehr- Offiziere widersprechen dem Kanzler in der Taurus-Frage.

Es ist eine peinliche Angelegenheit – und zwar gleich mehrfach. Russland hat offenbar eine Telefonkonferenz zwischen hochrangigen Offizieren der Bundeswehr abgehört und veröffentlicht. Darin sprechen Top-Militärs der Luftwaffe über einen möglichen Einsatz des Marschflugkörpers Taurus in der Ukraine. Das Gespräch ist offenbar authentisch, wie die Bundesregierung bestätigt.

Die Veröffentlichung wirft viele Fragen auf – für Bundeswehr und Geheimdienste: Warum besprechen Offiziere über unsichere Kanäle solch sensible Themen? Wie gut ist Russland über deutsche Planungen informiert? Wurden noch mehr Gespräche mitgehört?

Scholz’ Argumente ziehen nicht mehr

Doch vor allem politisch ergeben sich aus dem Vorfall Fragen. Denn es zeigt sich: Die Argumente, mit denen Olaf Scholz (SPD) seine Weigerung für eine Lieferung der Taurus-Marschflugkörper begründet, sind unglaubwürdig geworden. Der Kanzler muss sich erklären. Denn wer sich die Aufnahme anhört, der erkennt schnell: Die militärische Führung hält das, was der Kanzler öffentlich über Taurus sagt, für sachlich falsch. Zur Erinnerung: Scholz möchte den Taurus nicht liefern, weil dies angeblich erfordern würde, dass deutsche Soldaten an der Ziel-Programmierung beteiligt sind.

Dem hatten Ampel-Politiker bereits widersprochen. Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter hatte Scholz vorgeworfen „die Unwahrheit zu sagen“ – im Klartext, zu lügen. Die abgehörte Besprechung der Luftwaffen-Führung bestätigt die Zweifel an den Worten des Kanzlers. Mit einer entsprechenden Ausbildung wären auch ukrainische Soldaten innerhalb von Monaten dazu in der Lage, die Waffe allein zu beherrschen, sagen sie.

Scholz warnt immer wieder davor, Deutschland dürfe nicht zur Kriegspartei werden. Dass er diese rote Linie zieht, ist richtig. Offenbar möchte er Taurus aus diesem Grund nicht liefern. Doch die Argumente, mit denen er das öffentlich begründet, sind nicht stichhaltig.

Sensible Informationen ausgeplaudert

Es ist nachvollziehbar, wenn sich ein Regierungschef nicht in die Karten schauen lassen will. Doch es war Scholz selbst, der die Argumente in die Debatte einbrachte. Und die sind nachweislich falsch. Man darf auch nicht vergessen, dass der Kanzler mit seiner Argumentation enge Verbündete vor den Kopf stößt. Scholz hatte öffentlich gesagt, dass die Briten in der Ukraine aktiv seien, um die von ihnen gelieferten Marschflugkörper zu programmieren. Damit plauderte der Kanzler sensible militärische Informationen aus. In London war man zu Recht aufgebracht.

Bestens gelaunt dürfte man hingegen im Kreml sein. Denn Russland ist es gelungen, Deutschland bloßzustellen. Die russische Propaganda schlachtet das Thema aus. Zudem ist der deutsche Sicherheitsapparat blamiert. Es wurde spekuliert, dass ein russischer Geheimdienstler sich womöglich einfach in das Gespräch eingeklinkt haben könnte, weil er an die Zugangsdaten gelangt sei. Wenn das stimmt, werden Verbündete wie die USA oder Großbritannien wichtige Geheimdienstinformationen noch seltener mit Deutschland teilen. Denn der deutsche Sicherheitsapparat scheint mehr offene Türen zu haben als ein Adventskalender an Heiligabend. Verteidigungsminister Boris Pistorius verlangte am Sonntag zu Recht eine vollständige Aufarbeitung des Vorfalls.

Auch Scholz hatte zuvor erklärt, die Abhöraffäre solle „sehr sorgfältig, sehr intensiv und sehr zügig“ aufgeklärt werden. Den ersten Beitrag dazu muss der Kanzler selbst leisten: Er muss erklären, was seine wahren Beweggründe sind, Taurus nicht zu liefern.

x