Rhein-Pfalz Kreis Der Coup von ’91

«Ludwigshafen». Jetzt, wo auf Bundesebene Möglichkeiten einer Jamaika-Koalition ausgelotet werden, erinnern sich nicht nur ein paar alte Hasen in der RHEINPFALZ-Redaktion an das erste schwarz-gelb-grüne Bündnis, das es angeblich jemals gegeben hat. Auch Kommunalpolitikern von damals kommt der Coup von 1991 wieder in den Sinn – als sich die Grünen auf die Seite von CDU und FDP schlugen. Das rot-grüne Bündnis unter Beteiligung der Freien Wähler im Kreistag des damaligen Landkreises Ludwigshafen zerbrach. Und an was? An persönlichen Animositäten? Oder gar an Fragen des Geldes? Ernst Bartholomé (CDU), Jürgen Creutzmann (FDP), Theo Magin (CDU), Heinrich Zier (SPD) und Heinz-Peter Schneider (Grüne) erzählen. Ernst Bartholomé Ja, ich erinnere mich an die Zeit. Die ganze Geschichte beginnt sogar vor 1991, sprich: 1989 mit der Kommunalwahl. Direkt danach hatten wir von der CDU schon mit den Grünen geredet. Ohne Erfolg allerdings. Es gab also eine rot-grüne Koalition. Die aber nicht sehr gut funktionierte. Die Sozialdemokraten wollten den Landrat stellen und einen ersten hauptamtlichen Beigeordneten. Den Landrat hätten die Grünen wohl noch mitgetragen, den hauptamtlichen Beigeordneten aber nicht. Nach zwei Jahren hatten die Grünen genug, und es kam zu besagter Koalitionsvereinbarung mit uns und der FDP. Ja, richtig, ich war im Urlaub, wollte wegen der Vorgänge vorzeitig zurückreisen und bin in den falschen Zug gestiegen. Ich habe dann aber letztlich an einer anderen Station einen Zug nach Saarbrücken bekommen, wo mein Fahrer mich abholte. Das schwarz-gelb-grüne Bündnis konnte vor allem deshalb zustande kommen, weil ich den Ruf hatte, ein schwarz-grüner Landrat zu sein. Umweltschutz, eine umweltverträgliche Abfalltrennung und Nahverkehr waren Themen, die mir immer am Herzen lagen. Die Zusammenarbeit in der Koalition lief aus diesen Gründen auch recht gut. Die handelnden Personen kamen miteinander aus und fanden Kompromisse. Eine heiße Sache war dann eigentlich nur noch meine Wiederwahl durch den Kreistag. Meine Amtszeit als staatlich eingesetzter Landrat wäre 1993 ausgelaufen. Ich stellte mich freiwillig zwei Jahre früher zur Wahl – das war möglich, damals änderte sich gerade das System: Der Kreistag wählte den Landrat und der Ministerpräsident bestätigte ihn. Vorher war es umgekehrt: Der Ministerpräsident setzte ein und der Kreistag bestätigte. Die Sache war für mich ein Risiko, meinen Status als staatlicher Beamter zu verlieren und kein Landrat mehr zu sein. Aber es klappte. Am 18. November wurde ich mit dem hauchdünnen Vorsprung von einer Stimme als Kommunaler wiedergewählt. Helmut Kohl? Nein, den haben wir wegen der Koalition mit den Grünen nicht um Erlaubnis gefragt, obwohl es 1989 auf Bundesebene einen Grundsatzbeschluss gab, dass keine Bündnisse mit den Grünen eingegangen werden dürfen. Kohl wurde lediglich informiert. Jamaika im Bundestag kann klappen, wenn die Schnittmenge stimmt und die Akteure bereit sind, Kompromisse einzugehen. In der CDU als wertkonservative Partei müssen auch Umweltthemen eine Rolle spielen. Ich habe als Landrat fünf verschiedene Konstellationen erlebt. Wichtig ist, dass man sachbezogen denkt und arbeitet. Ein Kanaldeckel ist nicht rot, grün oder schwarz, sondern ein Kanaldeckel ist ein Kanaldeckel. Jürgen Creutzmann Ich kann mich genau erinnern, wie das war. Damals gab es im Kreistag eine Koalition zwischen SPD und Grünen. Aber die Zusammenarbeit lief schlecht und schließlich bröselte das Konstrukt. Auslöser war ein Streit darüber, ob Kreisbeigeordnete ehren- oder künftig hauptamtlich, also für Geld, arbeiten sollten. Der Grüne Kukatzki – richtig, Bernhard Kukatzki, der heute bei der SPD ist – war damals als hauptamtlicher Kreisbeigeordneter gehandelt worden. Die Grünen selbst hatten damit aber ein Problem. Eines Tages rief mich Theo Magin an, der damals CDU-Fraktionsvorsitzender im Kreistag war. Er hätte was zu bereden. Wir haben uns bei Heinz Werner Ziegler in Dannstadt-Schauernheim getroffen, der war – Sie wissen es – über 28 Jahre lang Bürgermeister der Verbandsgemeinde. Wir haben eine Koalitionsvereinbarung getroffen. Als sie fast fertig war, stieß Landrat Ernst Bartholomé dazu – er kam extra aus dem Urlaub. Auf Landesebene regierten zu dieser Zeit SPD und FDP. Ich habe Rainer Brüderle über die Idee – Schwarz-Gelb-Grün im Kreistag – informiert. Brüderle hat Ministerpräsident Scharping verständigt und wir haben uns getroffen. Ich habe gesagt: „Wenn ihr das aus übergeordneten Gründen nicht wollt, dann lassen wir es. Aber dann trete ich auch von allen meinen Ämtern zurück.“ Scharping hat gesagt: „Es ist schon in Ordnung.“ Dann mussten wir gucken, dass der Bartholomé im Amt bleibt, der hätte sonst, wenn ich mich recht erinnere, zurück ins Innenministerium gemusst. Damals wurden die Landräte ja noch von Mainz aus eingesetzt. Er stellte sich freiwillig einer Wiederwahl durch den Kreistag – das ging im Zuge der Kommunalisierung – und gewann mit der hauchdünnen Mehrheit von einer Stimme, die Jamaika – den Begriff gab es noch nicht – im Kreistag hatte. Acht Jahre hat die Koalition gehalten. Und es war eine gute Zeit. Die Zusammenarbeit hat funktioniert, weil wir fast alle Pragmatiker waren und niemand sich an Parteiideologien klammerte. Ob Jamaika heute auf Bundesebene funktioniert, weiß ich noch nicht. Das kommt darauf an, wie die Koalitionsverhandlungen laufen. Die FDP wurde vor allem wegen ihres Programms gewählt. Und wenn wir davon nichts umsetzen können, müssen wir in die Opposition gehen. Wir dürfen nicht noch einmal den Fehler machen, und unsere Glaubwürdigkeit verlieren. Theo Magin Das war damals schon eine Besonderheit mit der Zusammenarbeit von CDU, FDP und Grünen. Und ich glaube auch wirklich, dass wir im damaligen Landkreis Ludwigshafen die ersten waren, die eine solche Koalition gebildet haben. Es galt ja zu dieser Zeit ein Beschluss des CDU-Bundesparteitags, dass es auf keiner Ebene eine Koalition mit den Grünen geben dürfe. Darüber haben wir uns hinweggesetzt. Wie es dazu kam? In der Kreiskoalition von SPD, Grünen und FWG gab es Zerwürfnisse, die müssen sehr heftig gewesen sein. Der damalige Vorsitzende der Grünen, Walter Starck aus Römerberg, hat mich als Fraktionsvorsitzenden der CDU irgendwann angesprochen – ob denn eine Zusammenarbeit mit der CDU möglich wäre. Wir – von der CDU, der FDP und den Grünen – sind dann im Dannstadter Rathaus zusammengekommen und haben beraten, wie wir die Zusammenarbeit gestalten. Es wurde ein Vertrag gemacht und unterschrieben. Das war ein Freitag. Sonntags haben wir eine Pressekonferenz gegeben und unsere Koalition öffentlich gemacht. Und montags war dann schon die Kreistagssitzung mit der Wahl des Landrats im Schulzentrum in Schifferstadt. Das war ja dann das erste Mal, dass der Landrat vom Kreistag gewählt worden ist, vorher war das ja ein Landesbeamter. Ernst Bartholomé gewann mit einer Stimme Mehrheit vor dem Limburgerhofer Bürgermeister Heinrich Zier. Ich habe Helmut Kohl dann über die schwarz-gelb-grüne Koalition informiert. Er hat das aber gar nicht groß kommentiert. Entscheidend ist ja schließlich, dass die Zusammenarbeit fast zehn Jahre lang geklappt hat. Ob dieses Bündnis jetzt auch auf Bundesebene funktioniert? Warum nicht? Man muss eben ein regierungsfähiges Bündnis zustande bringen. Es ist auf jeden Fall den Versuch wert und man soll nie nie sagen. Heinrich Zier Oh ja, die schwarz-gelb-grüne Koalition damals ... Vorher waren wir von der SPD ja mit den Grünen und der FWG im Bündnis. Es war aber leider so, dass der Dr. Weyrich (Karl-Heinz Weyrich, SPD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag, Anmerkung der Redaktion) persönlich Probleme hatte mit den Grünen. Die Absprache mit unseren Koalitionspartnern habe deswegen eher ich gemacht. Das hat sich dann wohl hochgeschaukelt mit den Meinungsverschiedenheiten. Was folgte: die CDU hat die Grünen umgarnt, da wurden Kontakte geknüpft. In unserem Koalitionsvertrag war vorgesehen, dass ich als Landrat gegen Ernst Bartholomé kandidiere. Die FWG hat sich an unsere Absprache gehalten, aber die Grünen waren ja abgewandert und es hat dann bei der Wahl im Kreistag eine Stimme gefehlt. Ob eine Jamaika-Koalition auf Bundesebene kommt? Es bleibt ja wohl nichts anderes übrig, nachdem die SPD einer Koalition eine Absage erteilt hat. Ich glaube schon, dass es nach langwierigen Verhandlungen dazu kommen wird. Man muss abwarten, wie es dann läuft. Heinz-Peter Schneider Entscheidend für das Glücken eines solchen Bündnisses waren die handelnden Personen damals. Auf grüner Seite war das vor allem der damalige Fraktionsvorsitzende Walter Starck. Der konnte mit Landrat Ernst Bartholomé gut. Und Bartholomé galt ja als schwarzer Landrat mit grünem Herzen. Das hat dann irgendwie gut gepasst. Auch mit der FDP hat die Zusammenarbeit funktioniert. Immerhin fast zwei Legislaturperioden lang. Dass es dazu 1991 überhaupt kam, lag daran, dass SPD und Grüne nicht miteinander konnten – die nach den Kommunalwahlen 1989 zunächst im Kreistag gemeinsam regierten. Eine zentrale Frage, über die sie keine Einigkeit erlangten, war: Soll es hauptamtliche Beigeordnete geben oder nicht. Die SPD wollte unbedingt und hatte auch schon Kandidaten im Kopf. Die Grünen wollten nicht. Wohl auch aus solchen personellen Gründen ist Bernhard Kukatzki, für unsere Partei saß er zu dieser Zeit ja sogar im Bezirkstag, zur SPD gewechselt. Jamaika bröckelte zum Ende der 90er-Jahre hin. Eine Zeit, in der schon einmal über Flüchtlinge debattiert worden war. Viele Grüne hatten eine ganz andere Haltung zu den Themen Aufenthalt und Abschiebung als die handelnden Akteure auf Kreisebene. Wir mussten von Vorstandsseite viel verteidigen. Die innerparteiliche Opposition gegen das Bündnis wuchs. Und dann starb Walter Starck ziemlich plötzlich, die Integrationsfigur, die mit ruhiger Hand lenkte. Nach der Kommunalwahl 1999 war dann Schluss mit Schwarz-Gelb-Grün im Kreistag, auch deshalb, weil wir nicht gut abgeschnitten haben. Und Walter Altvater und ich waren Jungspunde, die noch keiner richtig kannte. Die Koalition hatte aber durchaus ihre gute Seiten. Das heutige Abfallwirtschaftskonzept mit Müllvermeidung und Mülltrennung wurde damals erarbeitet. Und die IGS Mutterstadt gegründet. Ich denke deshalb, auch auf Bundesebene könnte es jetzt klappen. Ich wünsche den Grünen, dass sie den Mut haben, den Schritt zu machen. Es sind sicherlich Kompromisse zu machen, aber es besteht auch die Chance, unsere Themen weiter nach vorne zu bringen. Ich denke da etwa an den Klimaschutz. Schwieriger wird es in Sachen Asylpolitik. Trotzdem wäre meiner Meinung nach eine Regierungsbeteiligung der Grünen eine gute Sache.

x