Kirche Papst Benedikt XVI. durch Missbrauchsgutachten schwer belastet

Papst Benedikt
Ein Kirchendokument belastet den früheren Papst Benedikt XVI. im Missbrauchsskandal.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. ist in einem neuen Gutachten zum sexuellen Missbrauch im Erzbistum München und Freising schwer belastet worden. Benedikt habe als damaliger Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger in vier Fällen nichts gegen des Missbrauchs beschuldigte Kleriker unternommen, teilten die Gutachter am Donnerstag in München mit. In einer Stellungnahme bestritt Benedikt demnach seine Verantwortung „strikt“, die Gutachter halten dies aber nicht für glaubwürdig, wie Rechtsanwalt Martin Pusch sagte.

In zwei der Fälle, bei denen die Gutachter ein Fehlverhalten des damaligen Münchner Erzbischofs sehen, sei es um Kleriker gegangen, denen mehrere begangene und auch von staatlichen Gerichten attestierte Missbrauchstaten vorzuwerfen seien. Beide Priester seien in der Seelsorge tätig geblieben, kirchenrechtlich sei nichts unternommen worden. Ein Interesse an den Missbrauchsopfern sei bei Ratzinger „nicht erkennbar“ gewesen.

Die Gutachter sind mittlerweile auch überzeugt, dass Ratzinger Kenntnis von der Vorgeschichte des Priesters Peter H. hatte, der 1980 aus dem Bistum Essen nach München kam. H. war als Pädophiler verurteilt und beging später im Erzbistum München weitere Missbrauchstaten.

Rechtsanwalt Martin Pusch sagte, Ratzinger habe bei der Erstellung des Gutachtens zunächst eine „anfängliche Abwehrhaltung“ gezeigt. Diese habe er aber später aufgegeben und ausführlich schriftlich Stellung genommen.

Erzbischof in München von 1977 bis 1982: der emeritierte Papst Benedikt XVI.
Fragen und Antworten

RHEINPFALZ Plus Artikel
Sexueller Missbrauch: Was wusste der frühere Papst Benedikt XVI.?

Hinweise auf mindestens 497 Missbrauchsfälle

Das Gutachten zu den Missbrauchsfällen im katholischen Erzbistum München und Freising hat Hinweise auf mindestens 497 Betroffene sexualisierter Gewalt gefunden. Das am Donnerstag von der Münchner Anwaltskanzlei Westphal Spilker Wastl vorgestellte Gutachten hat Missbrauchsfälle aus den Jahren 1945 bis 2019 untersucht, um Hinweise auf systemische Ursachen und Verantwortlichkeiten in der Leitung des Erzbistums zu finden.

Nach Angaben der Gutachter waren 247 Opfer männlich, 182 Opfer weiblich, in 68 Fällen sei eine Zuordnung nicht möglich gewesen, sagte Rechtsanwalt Martin Pusch, einer der Autoren des Gutachtens. 60 Prozent der betroffenen Jungen waren zwischen acht und 14 Jahre alt. Das Gutachten umfasst auch die Amtszeiten hochrangiger Kardinäle wie Reinhard Marx, der seit 2008 an der Spitze der Diözese steht.

Das Gutachten umfasst 1600 Seiten.
Das Gutachten umfasst 1600 Seiten.
x