Ludwigshafen Neujahrsrede: OB fordert mehr Miteinander in Corona-Krise

 OB Jutta Steinruck erhält von Bäckermeister Ulf Lanzet und seinem Sohn Sebastian im Hallenbad Nord die Neujahrsbrezel. Im Hinte
OB Jutta Steinruck erhält von Bäckermeister Ulf Lanzet und seinem Sohn Sebastian im Hallenbad Nord die Neujahrsbrezel. Im Hintergrund Schornsteinfeger Mike Job.

Der Glücksbringer trägt Maske – die Neujahrsrede von Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (SPD) stand erneut im Zeichen der Corona-Pandemie. Die 59-Jährige appellierte eindringlich für ein Miteinander der Gesellschaft und wandte sich gegen Spalter. Aber auch die Baustellen in der Stadt kamen beim digitalen Empfang nicht zu kurz.

An den Beginn ihrer Neujahrsrede stellte die OB mit Blick auf die Pandemie einen Appell: In der Debatte um die Corona-Maßnahmen sei es im abgelaufenen Jahr zu einem Bruch in der Gesellschaft gekommen – von der anfänglichen Solidarität und der Bereitschaft, die eigenen Interessen denen des Gemeinwohls unterzuordnen und die Schwächeren zu schützen, hin zur Verbitterung und Spaltung. „Ich nehme im Umgang der Menschen miteinander ein hohes Maß an Gereiztheit, an Aggression, an Unversöhnlichkeit wahr mit verheerenden Folgen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, sagte Steinruck. Ihr Appell an alle Bürger: „Wir brauchen als Gesellschaft mehr gegenseitiges Vertrauen, mehr Miteinander, mehr Zuversicht. Nur gemeinsam sind wir stark.“ Der Kompass dabei sei gegenseitiger Respekt und eine Kultur des Miteinander-Redens. Nur so könne die Demokratie geschützt werden.

Ihre mittlerweile fünfte Neujahrsrede nutzte die OB um eine Halbzeitbilanz ihrer achtjährigen Amtszeit zu ziehen, die neben Corona auch von den Hochstraßenprojekten geprägt war. Nach der Sperrung der Pilzhochstraße sei der Abriss und die Planung für einen Ersatzbau schnell erfolgt. Beim Bau der neuen Helmut-Kohl-Allee als ebenerdiger Ersatz für die Hochstraße Nord sei man mit einer neuen Planung einen großen Schritt vorangekommen, meinte die OB mit Blick auf verkürzte Bauzeiten und neue Möglichkeiten für die Stadtentwicklung durch eine Verschwenkung der Trasse. „Wir hatten einfach den Mut, Gordische Knoten zu zerschlagen. Wir haben uns getraut, den Standort Rathaus und Rathaus-Center in Frage zu stellen. Wir haben noch einmal neu gedacht“, sagte Steinruck.

Verhandlungen mit Bund und Land

Was die Finanzierung der Straßenbauprojekte angeht – in bisherigen Kostenschätzungen war von über 600 Millionen Euro die Rede –, will die Stadtspitze nun in konkrete Verhandlungen mit dem Bund und dem Land treten. „In den kommenden Wochen und Monaten schnüren wir das Gesamtfinanzierungskonzept. Dann liegen belastbare Zahlen vor.“ Sie gehe davon aus, dass Land und Bund sich finanziell einbringen. „Die Signale, die ich erhalte, stimmen mich zuversichtlich. Trotzdem muss nun hart verhandelt werden“, sagte die OB.

Steinruck zeigte sich zuversichtlich, dass die neue Hochstraße Süd bis Ende 2025 stehen wird. Bis 2026 sei dann auch das Rathaus-Center abgerissen und ein erster Teil der neuen Helmut-Kohl-Allee fertig. Dann starte der Abbruch der Hochstraße Nord im Bereich der Kurt-Schumacher-Brücke. „Die Abbruch- und Bauarbeiten in diesem Bereich werden herausfordernd sein – auch mit spürbaren Auswirkungen auf den Verkehr“, sagte Steinruck. Aber es gebe dann Ausweichstrecken und ein digitales Verkehrsleitsystem. Um 2030 fließe der Verkehr dann über die Helmut-Kohl-Allee, die eine „leistungsfähige Stadtstraße“ sei und auch alte (Hemshof) und neue Stadtquartiere (City West) miteinander verbinde. „Dann ist aus dem Sanierungsfall Hochstraßen ein Paradebeispiel für eine gelingende und nach vorne gerichtete Stadtentwicklungspolitik geworden“, sagte Steinruck.

Neue Kommunikation

In ihren ersten vier Jahren als OB sei es ihr gelungen, neue Kommunikationsformen mit den Bürgern einzuführen. Als Beispiele nannte sie die Mängelmelder-App, die Whatsapp-Sprechstunde sowie die öffentliche Übertragung von Stadtratssitzungen und Bürgerforen. Die Verwaltung sei ansprechbar, habe ein offenes Ohr und mache ihr Handeln transparent. Die Bürger würden beteiligt.

Steinruck unterstrich, dass sie den Kommunalen Vollzugsdienst des Ordnungsamts personell aufgerüstet habe, um für Sicherheit und Ordnung auf den Straßen zu sorgen. Die oft beklagte Vermüllung werde die Stadt weiter angehen. „Auch wenn viele kritische Stimmen verlauten lassen, es hätte sich nichts getan in den letzten vier Jahren, so kann ich Ihnen sagen: Wir lassen nichts unversucht und setzen schon seit Beginn meiner Amtszeit viele neue Maßnahmen um.“ Allerdings gebe es „egoistische“ und „rücksichtslose“ Menschen, die illegal ihren Müll entsorgen. Es sei gelungen, Müllsheriffs einzuführen, die Bußgelder zu erhöhen, ein Lenkungskreis nehme sich der Probleme an. „Wir wissen, was wir nicht mehr bereit sind hinzunehmen, und wir werden das auch durchsetzen. Dazu bin ich fest entschlossen.“

Kita-Angebot ausgebaut

Auch im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei man vorangekommen. „Wir haben in den vergangenen Jahren das Kita-Angebot weiter ausgebaut und auch neue Kindertagesstätten eröffnet. Im aktuellen Kitajahr werden insgesamt 8371 Betreuungsplätze angeboten – 1855 mehr als 2018“, sagte die OB – ohne zu erwähnen, dass aktuell über 3000 Kita-Plätze in der Stadt fehlen. Bei der Sanierung der Schulen komme die Stadt voran, „wenn auch nicht so schnell, wie wir das gerne hätten“, räumte die OB ein. Die Ankündigung des Landes, die Hälfte der Kassenkredite der Stadt zu übernehmen, begrüßte Steinruck. Dies sei ein „sehr positives Signal, dass sich insgesamt etwas ändert“ und die Kommunen angemessener finanziell ausgestattet würden.

Auch bei der Baupolitik sieht sich die OB auf der Erfolgspur: „Ich bin mit dem Ziel angetreten, dass es in Ludwigshafen bis zum Ende meiner ersten Amtszeit 3000 neue Wohnungen geben wird. Knapp 60 Prozent dieses Ziels sind schon erreicht.“ Viele weitere Wohnungen seien im Bau oder geplant. Dies sei die „Chance für mehr bezahlbaren Wohnraum und für die Aufwertung von Quartieren“.

Strukturwandel in der City

Die Innenstadt müsse aufgewertet werden. Es sei in ihrer Amtszeit gelungen, viele Arbeitsplätze ins Stadtzentrum zu bringen, etwa durch den neuen Firmensitz der TWL. Alle Städte steckten in einen Strukturwandel – die Auswirkungen des Online-Handels seien überall zu sehen. Diesen Strukturwandel gelte es nun zu gestalten. „Wenn wir von der City reden, dann müssen wir auch unser neues Quartier City West mitdenken. Dieses wird westlich der Helmut-Kohl-Allee entstehen“, sagte die OB. Die Planungen dafür würden gerade entwickelt. Es gehen dabei um eine Mischung aus Wohnen, Freizeit, Arbeiten und sozialer Infrastruktur sowie Klimaschutz. Je mehr Menschen auf den ÖPNV oder das Fahrrad umsteigen, desto besser sei es für das Klima. „Aber wir wissen als Verwaltung auch, dass noch ein weiter Weg vor uns liegt, um als fahrradfreundliche Stadt zu gelten“, so die OB.

Für die zweite Hälfte der Amtszeit formulierte Steinruck einige Ziele: „Das Thema, das uns alle in den kommenden Jahren viel mehr als bisher beschäftigen wird, ist die Klimakrise.“ Dem Klimaschutz müsse mehr Gewicht gegeben werden. „Wie wollen wir künftig hier in unserer Stadt leben? Indem wir uns auf gemeinsame Ziele und Werte verständigen. Einen solchen Prozess möchte ich in der zweiten Hälfte meiner Amtszeit anstoßen. Ich möchte ihn unter die Überschrift von Gerechtigkeit, Respekt und Mut stellen.“ Es gehe darum, Klimaneutralität, Generationsgerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit zusammenzudenken. „Wir müssen bereit sein, Veränderungen als Chance zu begreifen. Ludwigshafen ist eine junge Stadt: Sie ist und bleibt ein Zukunftsort, den wir gemeinsam gestalten können“, sagte die OB.

Kommentar: Regieren im Krisenmodus

Jutta Steinruck sorgt sich zurecht um den Zusammenhalt der Gesellschaft. Ihr Appell für mehr Miteinander ist ehrenwert, dürfte aber leider im aufgeheizten Klima der Corona-Debatten kaum Wirkung zeigen. Auf Kurs sieht sich die OB in ihrer Halbzeitbilanz und klopft sich dabei kräftig selbst auf die Schulter. Wenn man Steinruck zuhört, könnte man den Eindruck gewinnen, dass es in der Stadt zwar schon ein paar Probleme gibt, aber die Stadtspitze alles im Griff hat. Dabei verödet die City. Wo ein neues Rathaus gebaut wird, ist völlig offen. Veränderungen bieten Chancen, da liegt die OB richtig – aber eine Vision für die Stadt über das Krisenmanagement hinaus hat sich in ihrer Rede nicht erkennen lassen.

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