Kreis Kaiserslautern „Unfall mit Feuer und 30 Verletzten“

Punkt 18 Uhr ist der Hörnchenberg-Tunnel auf der A62 zwischen Landstuhl und Bann dicht. „Schwerer Verkehrsunfall mit Linienbus und zwei Pkw“, lautet der Alarm, „Feuer und voraussichtlich viele verletzte Personen.“ Zum Glück ist das Szenario nur inszeniert – für eine Katastrophenschutz-Übung des Landkreises. Doch das fiktive Geschehen könnte jederzeit Wirklichkeit werden. Daher wollen alle Rettungskräfte möglichst gut vorbereitet sein.

Polizei, Feuerwehrleute, Sanitäter und Rettungsmediziner aus dem gesamten Landkreis üben an diesem Dienstagabend gemeinsam den Ernstfall. Als erste sind die Feuerwehrleute aus der VG Landstuhl vor Ort. „Aus der Fahrtrichtung Pirmasens kommen die Wehren von Bann, Oberarnbach, Kindsbach und Mittelbrunn“, erläutert Thomas Jung, Leiter der örtlichen freiwilligen Feuerwehr. „Für die andere Fahrtrichtung sind die Wehren aus Landstuhl und Hauptstuhl zuständig.“ Das sei deshalb wichtig, fügt Jung hinzu, weil der Hörnchenberg-Tunnel zwei getrennte Röhren hat: „Es ist ja nicht immer gleich klar, in welcher Röhre wir am besten zum Unfallort und zu den Verletzten durchkommen. Deshalb fahren wir in einem solchen Fall beide gleichzeitig an.“ Genau acht Minuten haben die Feuerwehren nach den Katastrophenschutz-Regeln des Landes, um an Ort und Stelle anzukommen. Das klappt an diesem Dienstagabend schon mal gut: „100 Kameradinnen und Kameraden waren mit ihren Fahrzeugen und Ausrüstungen pünktlich am Einsatzort“, freut sich Thomas Jung. Eine reife Leistung, wenn man bedenkt, dass die Landstuhler Feuerwehr genau 170 aktive Mitglieder hat – und an einem solchen Werktag um 18 Uhr noch mancher arbeitet oder gerade auf dem Heimweg ist. „Wir hatten zwar für heute eine Übung angekündigt, trotzdem ist das ein gutes Ergebnis“, fügt der Landstuhler Einsatzleiter hinzu. Auch welches „Einsatzbild“ am Ort des inszenierten Unfalls auf sie warten würde, wussten die Freiwilligen Feuerwehrleute nur sehr ungefähr. „Das ist eigentlich einer unserer größten Herausforderungen“, erklärt Thomas Jung. „Wir müssen möglichst schnell die Lage analysieren, den Brand bekämpfen, die Menschen retten – und uns einen Überblick verschaffen, ob wir weitere Hilfe brauchen.“ Konkret heißt das für die Einsatzkräfte: Helme und Gasmasken auf, in Windeseile von Hand die Schläuche ausrollen und an das vorhandene Wassernetz im Tunnel anschließen, die Verletzten aus den Fahrzeugen holen und in nicht verqualmte Bereiche bringen, die Brände löschen und gleichzeitig die Menschen mit Erster Hilfe versorgen. Glücklicherweise qualmt es im Hörnchenberg-Tunnel an diesem Dienstagabend nicht wirklich, auch der Linienbus und die beiden Unfall-Pkw brennen nicht in echt. Und die rund 30 Verletzten sind eigentlich Nachwuchskräfte der Landstuhler Feuerwehr, die sich ziemlich willig retten und verarzten lassen. Dennoch ist es faszinierend, mit welcher Präzision die Ersthelfer am Unfallort arbeiten. Den Grund dafür nennt Wehrleiter Jung: „Diese Übung hier vor Ort machen wir nur alle vier Jahre, weil der Aufwand doch recht groß ist. Aber in der Zwischenzeit üben wir solche Szenarien in kleineren Tunneln, zum Beispiel im Landstuhler Bruch. Nur so können wir gewährleisten, dass alle Handgriffe auch wirklich sitzen.“ Dennoch: Würde ein Unfall dieser Größenordnung in der Realität stattfinden, blieben die Landstuhler Wehren nicht lange allein. „Bei Unfällen mit mehr als sechs Verletzten werden nach unserem Alarmplan automatisch die benachbarten Feuerwehren und der Katastrophenschutz des Landkreises sowie der Stadt Kaiserslautern einbezogen“, erläutert die Erste Kreisbeigeordnete Gudrun Heß-Schmidt (CDU), die dieses Arbeitsgebiet für den Landkreis verantwortet. „Wir haben dafür eine Technische Einsatzleitung, einen eigenen Fernmeldedienst und unsere so genannte weiße Schiene: Das sind vor allem leitende Notärzte und eine Schnelleinsatzgruppe von Sanitätern, die den örtlichen Rettungsdienst unterstützen und die Verbindungen zu den umliegenden Krankenhäusern aufnehmen.“ Und so geschieht es auch an diesem Abend: Kurz nach der Landstuhler Feuerwehr treffen die weißen Einsatzfahrzeuge des Landkreises ein, gefolgt von zahlreichen rot-gelben Autos der verschiedenen Rettungsdienste. Schon bald ist die gesamte Szenerie rund um den Hörnchenberg-Tunnel in blaues Blitzlicht getaucht, es fiepen und plärren überall die Funkgeräte. In fieberhafter Geschwindigkeit werden Krankentragen bereitgestellt, Menschen verbunden und abtransportiert, weiße Sanitätszelte mitten auf der Autobahn aufgebaut. Insgesamt sind jetzt, eine gute halbe Stunde nach dem ersten Notruf, etwa 100 Menschen im und vor dem Tunnel aktiv, ein regelrechtes Räderwerk von Köpfen und Händen. Und im Hintergrund halten Polizisten und die Männer vom Autobahnamt die Straße frei, organisieren Umleitungen und informieren die Autofahrer. Gegen 19 Uhr scheint sich die Lage etwas zu entspannen. Noch sind die Notärzte schwer damit beschäftigt, den Ablauf der medizinischen Behandlungen zu organisieren. „Die umliegenden Krankenhäuser haben wir heute mal in Ruhe gelassen“, berichtet Hans Weber, der als Kreisfeuerwehrinspektor im technisch hoch gerüsteten Kommando-Container der Kreisverwaltung sitzt. „Für ihre Belegung im Krisenfall haben wir eigene Notfall- und Anfahrpläne, die wir regelmäßig aktualisieren.“ Aber mit dem bisherigen Ablauf der Übung ist Weber nicht unzufrieden: „Unsere Faustregel heißt: Innerhalb der ersten halben Stunde die Verletzten bergen, in den zweiten 30 Minuten die Brände unter Kontrolle haben. Beides hätten wir heute wohl planmäßig geschafft.“ Entspannte Gesichter auch kurze Zeit später bei Gudrun Heß-Schmidt und Peter Degenhardt (CDU), dem Bürgermeister der Verbandsgemeinde Landstuhl. Beide haben an diesem Abend sehr konzentriert zugeschaut, wie die Katastrophen-Übung am Hörnchenberg-Tunnel im Detail abläuft. Aus gutem Grund, denn sie tragen in ihren Ämtern die politische Verantwortung für solche Fälle – vor allem, wenn was schief gehen sollte. „Wir werden zwar die einzelnen Abläufe noch genau analysieren“, betont Heß-Schmidt, „aber es sah insgesamt recht gut aus. Die Zusammenarbeit zwischen den Feuerwehren, den Notfall-Medizinern und den Rettungsdiensten funktioniert.“ Gegen 20 Uhr legt sich ein leichter Nieselregen über die leere Autobahn. Wie auf Befehl reihen sich alle Übungsteilnehmer plötzlich brav in eine Warteschlange auf dem Mittelstreifen ein: Es gibt heiße Gulaschsuppe, gekocht und geliefert von der Reservisten-Kameradschaft Otterbach. Feuerwehrleute, auferstandene Unfall-Opfer, Ärzte und Sanitäter löffeln gemeinsam aus ihren Plastiktellern. Nur die Autofahrer müssen sich noch bis Mitternacht gedulden, ehe die A62 zwischen Landstuhl und Bann wieder für sie frei ist.

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