Rheinland-Pfalz Wien: Neun Jahre Haft wegen IS-Terrorplänen in der Pfalz

Polizeistreife auf dem Ludwigshafener Weihnachtsmarkt im vergangenen Jahr – aufgrund des Anschlagsversuchs in 2016 wurden die Si
Polizeistreife auf dem Ludwigshafener Weihnachtsmarkt im vergangenen Jahr – aufgrund des Anschlagsversuchs in 2016 wurden die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt.

«WIEN/LUDWIGSHAFEN.»Ein 19-jähriger Österreicher wurde in Wien wegen IS-Terrorplänen in der Pfalz zu neun Jahren Haft verurteilt. Er soll einen Zwölfjährigen bei seinem Anschlagsversuch auf den Ludwigshafener Weihnachtsmarkt geholfen haben. Auch eigene Attentatspläne – etwa auf die Militärbasis im westpfälzischen Ramstein oder deutsche Soldaten – waren im Prozess Thema.

Das öffentliche Interesse am Landesgericht Wien war von Beginn an immens. Österreichische Boulevardmedien sprachen vom „Prozess des Jahres“ gegen einen heimischen „Terror-Bubi“. Die Geschworenen verurteilten den 19-jährigen Wiener gestern Abend zu neun Jahren Haft bei einem Strafrahmen von insgesamt 15 Jahren. Zugute kam ihm, dass seine Anstiftung nur im Versuch endete. Erschwerend waren mehrere Vorstrafen aus seiner früheren Jugend. In der damaligen Haft kam der Angeklagte erstmals mit dem Islam in Kontakt, der getaufte Christ war im Gefängnis konvertiert. „Was erwarten Sie? Wie soll man sich bei so einem Urteil ändern?“, sagte der Verurteilte empört. Verteidiger Wolfgang Blaschitz denkt darüber nach, gegen das Urteil vorzugehen.

Tipp aus Deutschland

Der 19-jährige Lorenz K. war im Januar 2017 in Wien festgenommen worden. Wie mehrfach berichtet, stammte der Tipp aus Deutschland. Die intensiven Chat-Kontakte mit dem heute 14-Jährigen aus Ludwigshafen wurden immer wieder thematisiert. Dessen Sprengsatz auf dem Weihnachtsmarkt zündete aus technischen Gründen nicht. Da der Junge zum Zeitpunkt der Tat erst zwölf Jahre alt war, gilt er als strafunmündig. Für den versuchten Anschlag wird nun der ältere Freund aus Wien zur Rechenschaft gezogen. Der Angeklagte hatte dem Jungen dem Gericht zufolge „Tipps gegeben“, wie er den selbstgebastelten Sprengsatz verstecken könne und den Weihnachtsmarkt als Ziel vorgeschlagen. „Zieh ne fette Jacke an, dann geh hinter ne Hütte und zünde an“, schrieb ihm der Wiener. Das Gericht kam gestern zu dem Ergebnis, dass der 19-jährige Österreicher somit einen psychologischen Beitrag zum versuchten Terrormord geleistet habe.

Zweiter Anschlagsplan 

Laut Anklage gab es auch einen zweiten Anschlagsplan vom Wiener selbst. Dieser hätte etwa die US-Militärbasis Ramstein beziehungsweise „deutsche Soldaten“ ins Auge gefasst. Da der Angeklagte laut Ermittlungen aber weder das Areal besuchte, noch vermochte, „Ramstein“ in einem Chat richtig zu schreiben, wurden diese Pläne von der Verteidigung als „naiv“ dargestellt, spielten als „Versuch eines Anschlages“ aber doch eine Rolle im Urteil und beim Strafmaß. Der nun Verurteilte war Ende November 2016 von Österreich ins deutsche Neuss gereist. Dort besuchte er einen befreundeten jungen Islamisten, der seit März selbst in Düsseldorf vor Gericht steht. Der Wiener wohnte kurzzeitig bei diesem Freund und bastelte dort eine (eher harmlose) Testbombe, die die beiden im örtlichen Park des Nächtens zündeten.

Von Ehefrau belastet

Außerdem traf der Wiener in Neuss auf eine Schülerin aus Bottrop, die er ebenfalls übers Internet kennengelernt hatte und mit der er eine Liebesbeziehung begann. Wie berichtet, wurde das Paar in Neuss von einem Imam verheiratet. Im Verfahren stellte sich die heute 17-Jährige jedoch gegen ihren Ehemann und belastete ihn auch im Hinblick auf Anstiftung zu einem gemeinsamen Anschlag. Durch das gesamte Verfahren geisterte der heute 14-Jährige aus Ludwigshafen. Zu Prozessbeginn meinte der Staatsanwalt noch, der Wiener Angeklagte sei dessen Mentor gewesen. Dieses Bild drehte sich im Laufe der Verhandlungstage dann jedoch zunehmend. In den Schlussplädoyers waren sich Ankläger und Verteidiger einig, dass der Junge „kein Chorknabe“ sei und sich selbst „bis in die Haarspitzen“ - auch ohne Zuruf aus Wien – radikalisierte habe.

Verstörender Höhepunkt

Die Zeugenaussage des 14-Jährigen per Videoschaltung bleibt im Nachhinein der verstörende Höhepunkt des Prozesses. Aus einem Ort in Deutschland, wo er zwangsbetreut und bewacht wird, tätigte der Jugendliche seine stumpfsinnige und nach wie vor radikal islamistische Zeugenaussage. Bekannt wurde etwa, dass er schon mit neun Jahren „zum Spaß“ Bomben baute und sich mindestens seit dem Frühjahr 2016 mit einem IS-Mann in Syrien in Kontakt befand. Er legte per Videobotschaft einen IS-Treueschwur ab und schickte ihn ins „Kalifat.“ Aus einschlägigen Chatgruppen über soziale Netzwerke wie Telegram lud er sich im Sommer 2016 einen Bombenbauplan herunter und bastelte an seinem Attentatsplan. Ein beängstigendes, neues Detail aus dem Wiener Prozess war nach seiner Aussage der Umstand, dass er bereits Anfang November in einem Linienbus eine selbstgebaute Bombe zünden wollte – auch bei jenem Versuch scheiterte die Zündung. Nach dem insgesamt dritten Versuch in Ludwigshafen habe er dann den Entschluss gefasst: „Scheiß auf die Bombe. Ich dachte mir dann, ich könnte zum Baumarkt gehen und ein Beil und Benzin kaufen und damit im Krankenhaus Menschen töten.“ Letztlich breitete er vor einem Freund großspurig seine Pläne aus und zeigte ihm auch die nicht-detonierten Sprengsätze. Dieser ging zur Polizei, welche den Jungen Ende 2016 festnahm.

Von IS-Hintermännern gelenkt

Wie mit ihm in Zukunft verfahren wird, bleibt wohl eine der offenen Fragen aus dem Terrorprozess in Wien. Verstörend bleibt am Ende die Tatsache, wie sich Jugendliche aus Deutschland und Österreich zum Terror anstachelten und dabei von deutschsprachigen IS-Hintermännern aus Syrien gelenkt wurden.

W. Blaschitz
W. Blaschitz
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