Rheinland-Pfalz Vorder- und Südpfalz droht massive Schnakenplage

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Totalausfall: der auf der Rheininsel Elisabethenwörth bei Germersheim ausgebrannte Hubschrauber, der für die Kabs flog.

Der Ausfall zweier Hubschrauber bei den Schnakenbekämpfern hat vor allem Folgen für die Pfälzer Gebiete: Dort sind aktuell keine Einsätze aus der Luft möglich, deshalb droht eine massive Stechmücken-Plage. Wann sie kommt, wissen die Experten ziemlich genau.

„Das ist eine katastrophale Situation, ich hätte im Traum nicht daran gedacht, dass so etwas passieren kann“, sagt Norbert Becker. Der wissenschaftliche Direktor der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (Kabs) ist auch gestern noch sichtlich erschüttert. Die Lage ist äußerst schwierig: Denn aufgrund der Regenfälle war der Rheinpegel zuletzt stark angestiegen, das Wasser steht teils bis zum Damm. Wegen der großflächigen Überschwemmungen kam es deshalb laut Kabs es zu einem massiven Schlupf der Rheinschnaken-Larven. Viele Gebiete sind jedoch unzugänglich, aufgrund des Wasserstandes hätten rund 80 Prozent der Bekämpfungsflächen aus der Luft behandelt werden müssen. Doch ein erster Hubschrauber fiel bereits am Samstag aus, als er offenbar aufgrund von Problemen mit der Energieversorgung fast notlanden musste. Er habe so unsanft aufgesetzt, dass er beschädigt wurde und für längere Zeit ausfällt, sagt Becker. Der georderte Ersatz-Hubschrauber erlitt am Sonntag einen Totalschaden, als er wegen eines Kabeldefekts in Brand geriet. Becker: „Ein schwarzer Tag für die Kabs.“ Glücklicherweise wurden in beiden Fällen die Piloten nicht verletzt. Während die Bekämpfungsmaßnahmen in Südbaden bis zu dem Hubschrauber-Debakel weitgehend abgeschlossen waren, sind die Pfälzer Gebiete ein weißer Fleck. „Da ist so gut wie noch nichts gemacht“, sagt Becker. Das gilt beispielsweise für die Gebiete bei Altrip, Germersheim und Philippsburg ebenso wie für die Ketscher Rheininsel und die Kollerinsel. Der Einsatz gegen die Stechmücken-Larven hätte überall dort am Sonntag aus der Luft beginnen sollen. Jetzt kann das Granulat mit dem biologischen Wirkstoff BTI, der zu einer Auflösung der Darmzellen bei den Larven und so zu deren Tod führt, aber nur zu Fuß ausgebracht werden.

Plage könnte schon Anfang Juni kommen

Auf diese Weise könnten jedoch höchstens 25 Prozent der Flächen noch rechtzeitig behandelt werden, sagt Becker: „Das macht den Bock nicht fett, selbst wenn man hundert Stechmücken noch um die Hälfte reduziert, empfinden das die Leute als Plage.“ Schon in der nächsten Woche könnte dies der Fall sein, meint der Kabs-Direktor. Aufgrund der derzeitigen kühleren Temperaturen vielleicht auch erst in der übernächsten Woche. Man bemühe sich zwar um einen Ersatzhubschrauber, sagt Becker. Doch bis der für die Schnakenbekämpfungs-Einsätze umgerüstet sei, werde es einige Zeit dauern: „Für die jetzige Hochwasserwelle ist das zu spät.“ Dazu kommt: In viele Gebiete kommen die Schnakenbekämpfer derzeit zu Fuß gar nicht hinein – sei es aufgrund des Wassers oder wegen der üppigen Vegetation; andere Zonen dürfen die Kabs-Mitarbeiter aus ökologischen Gründen ohnehin nicht betreten – dort kann der biologische Wirkstoff nur aus der Luft abgeworfen werden. Besser als die Pfalz sind die Kabs-Gebiete in Südbaden dran: Denn dort waren die Einsätze bereits abgeschlossen, bevor die beiden Hubschrauber ausfielen.

Mehrere Hundert Stechmücken pro Person in zwei Minuten

Unter normalen Einsatzbedingungen wird durch die biologische Stechmückenbekämpfung mit BTI nach Angaben der Kabs eine Reduktion der Rheinschnakenpopulation um 95 Prozent erreicht. Die Kabs belegt dies mit einer Testreihe: So seien nach den großen Hochwasserereignissen im Frühjahr 2015 in einer Falle im unbehandelten Gebiet im nördlichen Kühkopf-Bereich (Hessen) 27.250 Stechmückenweibchen in einer Nacht gezählt worden. Unter gleichen Voraussetzungen wurden innerhalb eines behandelten Gebietes in Ketsch (Baden-Württemberg) lediglich 1125 Stechmückenweibchen gefangen, was einer Reduktion gegenüber dem unbehandelten Bereich von 96 Prozent entspreche. Was dies für die Bevölkerung bedeutet, veranschaulicht die Kabs so: Stechaktivitätsmessungen zeigten, dass in einem unbekämpften Gebiet mehrere Hundert Stechmückenweibchen eine Testperson pro zwei Minuten im Auenwald in den Abendstunden anfliegen würden. In einem mit BTI behandelten Bereich wäre hingegen mit weniger als zehn Angriffen zu rechnen. Der 1976 gegründeten Kabs gehören 97 Kommunen sowie die Länder Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg an. Im Kabs-Gebiet wohnen rund 2,7 Millionen Menschen.

Das Gebiet der Kabs wurde mit den Jahren immer größer:
Das Gebiet der Kabs wurde mit den Jahren immer größer:
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