LEO-Interview Markus Melchiori über Dommusiktage in Corona-Zeiten: „Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht“

Begeisterte sich schon als Kind für Beethoven: Domkapellmeister Markus Melchiori, hier bei den Dommusiktagen 2019.
Begeisterte sich schon als Kind für Beethoven: Domkapellmeister Markus Melchiori, hier bei den Dommusiktagen 2019.

Am 19. September starten die Internationalen Musiktage Dom zu Speyer. Unter dem Motto „Beethoven ... plus!“ huldigen sie dem dominanten Jubilar dieses Jahres. Aber es erklingen auch Werke unter anderem von Bach, Buxtehude und Haydn. Im Interview mit LEO-Redakteur Kai Scharffenberger verrät Domkapellmeister Markus Melchiori mehr über die Inhalte des Festivals und darüber, wie die Musiktage der Corona-Ausnahmesituation begegnen.

Herr Melchiori, an 250 Jahren Beethoven kommen auch die Dommusiktage nicht vorbei. Was ist denn Ihr persönliches Lieblingswerk von Ludwig van?

Beethoven war der erste Komponist, der mich bereits als Kind begeistert hat. Seine energiegeladene Musik hat mich schon immer fasziniert. Ich tue mich immer schwer damit, ein Lieblingswerk herauszuheben. Tatsächlich aber gehören die Symphonien auf jeden Fall dazu und hier speziell die Siebte, die ja auch im Festival zu hören sein wird. Das Werk ist ein melodisches, harmonisches und rhythmisches Feuerwerk, das mitreißt!

Die siebte sowie die zweite Symphonie führen Sie mit dem Orchester L’arpa festante auf, das sonst eher auf Barockmusik spezialisiert ist. Wird das Publikum dadurch einen ganz anderen Beethoven hören?

Vielleicht keinen ganz anderen Beethoven, aber zumindest einen sehr durchsichtigen. Seit vielen Jahren ist es im Zuge der „historischen Aufführungspraxis“ Usus, nicht nur Barockmusik, sondern auch Werke der Klassik und Romantik in ihrem ursprünglichen Klanggewand aufzuführen. Das Instrumentarium der Klassik, das die Ausführenden bei den Beethoven-Symphonien spielen, erlaubt es, die Werke zu entschlacken und durch eine transparente Artikulation viele Nuancen hörbar zu machen.

Neben Beethoven-Symphonien stehen barocke Kantaten und eine Haydn-Messe auf dem Programm. Dazu braucht man Sänger oder sogar einen Chor, was ja in Zeiten der Corona-Pandemie besonders heikel ist. Wie haben Sie dieses Problem gelöst?

Das sieht sehr unterschiedlich aus. Die Bach-Kantaten im Eröffnungskonzert musizieren wir tatsächlich mit rund 60 Sängerinnen und Sängern unseres Domchors. Alle Ausführenden stehen dabei in einem Abstand von drei Metern, sodass wir eine sehr große Fläche in Anspruch nehmen und große Distanzen zu überwinden haben. Wir haben die beiden Bach-Werke aber auch unter diesem Gesichtspunkt ausgesucht und glauben, dass wir eine gute Aufführungssituation herstellen können. Buxtehudes Kantatenzyklus „Membra Jesu nostri“ wird dagegen, ganz kammermusikalisch, von einem Solistenquintett musiziert werden. Und die „Große Mariazeller Messe“ von Joseph Haydn führen wir mit einem 16-köpfigen Vokalensemble auf.

Der Tenor Christoph Prégardien stellt in einem Liederabend am 26. September dem Beethoven-Zyklus „An die ferne Geliebte“ Robert Schumanns „Dichterliebe“ gegenüber. Was eint die beiden Liederzyklen? Was unterscheidet sie?

Beethoven war einer der bedeutendsten Liedschaffenden vor Franz Schubert. Der kurze Beethoven-Zyklus diente vielen Nachfolgern zur Nachahmung. Die Liederzyklen der Romantiker bestehen aus unverbundenen Einzelliedern; Beethovens Liederkreis hingegen verschmilzt die Einzellieder zu einem durchmusizierten Ganzen, zu einer wahrhaft empfindsamen Form.

Zum Abschluss dirigieren Sie Haydns „Missa Cellensis“, die „Große Mariazeller Messe“. Warum an so prominenter Stelle nichts von Beethoven, etwa seine Missa solemnis?

Coronabedingt haben wir ja unser Programm völlig „umgestrickt“. In den Rahmenkonzerten wären ursprünglich beide Beethoven-Messen erklungen; die Missa solemnis wäre das Abschlusskonzert gewesen. Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht und überlegt, welche Musik Beethoven geprägt hat, wo seine Wurzeln liegen, wer seine Lehrer waren. Da steht Joseph Haydn mit an erster Stelle.

Info

Internationale Musiktage Dom zu Speyer: 19.9. bis 3.10., diverse Stätten, Programm: www.dommusik-speyer.de, Karten: 06232 142332, 0631 37016618, www.reservix.de
x