Rheinpfalz Huhn und Höhle: Hans-Purrmann-Preise 2019 in Speyer

Endzeit-Raum: Ugur Ulusoys „Heterotopie“.
Endzeit-Raum: Ugur Ulusoys »Heterotopie«.

Hat sie nun? Oder hat sie nicht? Nämlich das Huhn geschlachtet, mit dem sie drei Jahre lang zusammenwohnte.

Glaubt man der Kunstsonderseite, die in einer bekannten überregionalen Tageszeitung erschien und nun einen Teil von Kristina Buchs Installation im Speyerer Kunstverein bildet, ging es dem weißen Federvieh, mit dem die Künstlerin im zentralen Video kuschelt, am Ende tatsächlich an den Kragen. Eine Bouillon, so erfährt man da, soll Buch aus ihrer eierlegenden Lebensabschnittsgefährtin gekocht und dann einem Kunstagenten serviert haben.

Hysterische Geflatter

Dieser Ausgang erscheint, wenn nicht emotional bedenklich, doch zumindest ziemlich undankbar. Denn derselbe Artikel weiß außerdem zu berichten, dass das Huhn zuvor seine Besitzerin bei einem nächtlichen Spaziergang durch hysterisches Geflatter vor drei maskierten Räubern gerettet habe. Wer es gut mit der Künstlerin (und dem Huhn) meint, zieht spätestens an diesem Punkt der Geschichte in Betracht, dass dieses ganze artifizielle Hühnerfrikassee auch Komödie sein könnte. Jedenfalls liest sich der ebenfalls ausgestellte E-Mail-Verkehr, in dem sich Buch darüber beschwert, dass die von ihr gestaltete Schlagzeile der betreffenden Zeitungsseite durch die Redaktion geändert wurde, wie die reinste Kunstsatire. „Eines der Dinge, die mich an Dir erstaunen, ist, dass Du unermordet bleibst“ ist aber auch eine mächtig sperrige Überschrift … Doch wie stellt man sich nun zu dieser Kunst ums Huhn? Erkennt man darin wie die Jury aus Fachgelehrten, die Kristina Buch Anfang Februar mit dem Purrmann-Preis bedachte, eine „poetische Balance zwischen Ästhetik und künstlerischem Konzept“? Oder findet man das Ganze bloß spröde? Abgeschmackt? Gar pervers? Immerhin, die fraglich bleibende „Unermordung“ des Huhns löst ein Nachdenken aus über das, was noch Kunst ist und was nicht und in welchem Kontext die Verwertung eines Huhns okay ist und in welchem nicht. Damit dürfte Buch, die außer Kunst Biologie und Theologie studierte, ihr Ziel erreicht haben.

Weniger Farbe, mehr Gedankenlast

Wirklich leicht machen es dem Kunstfreund auch die 14 anderen Positionen dieser Wettbewerbsausstellung nicht. Dafür, dass der Preis den Namen eines großen Koloristen trägt, gibt’s erstaunlich wenig Farbe, dafür umso mehr Gedankenlast, Minimalismus und Konzept. So richtig malerisch wird es nur bei Ugur Ulusoy. Aber dafür auch infernalisch, apokalyptisch. Seine „Heterotopie“ auf großen Stoffbahnen ist ein praller Mix aus Malerei, Text und Rauminstallation, eine Höhle, in der katastrophale Endzeitstimmung herrscht. Für diese ausufernde Dystopie bekam der 1984 in Oberhausen Geborene den Förderpreis: eine nachvollziehbare Entscheidung.


Info

Hans-Purrmann-Preise 2019 – bis 10.3., Speyer, Städtische Galerie und Kunstverein, Kulturhof Flachsgasse, Flachsgasse 3, geöffnet: Do-So 11-18 Uhr, Eintritt frei; Info: Telefon 06232-142399.

Das Huhn, das „unermordet“ bleibt: Kristina Buchs Koje im Kulturhof.
Das Huhn, das »unermordet« bleibt: Kristina Buchs Koje im Kulturhof.
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