Wirtschaftskriminalität Wo sind drei Tonnen Gold?

Goldkäufe im Wert von 140 Millionen Euro müssten mindestens getätigt worden sein – die Forderungen über diese Summe sind laut de
Goldkäufe im Wert von 140 Millionen Euro müssten mindestens getätigt worden sein – die Forderungen über diese Summe sind laut den Ermittlern berechtigt. Das entspricht rund drei Tonnen des Edelmetalls.

Investoren und Anleger aus dem gesamten Bundesgebiet sollen um Millionen Euro betrogen worden sein. Barrenweise Gold, das sie mit Bonusversprechen kauften, ist nicht aufzufinden. Die Suche nach Antworten in einem Gerichtsprozess ist zäh.

Es geht um Tausende Verträge über den Kauf von barrenweise Gold, um Bonusversprechen, wahrscheinlich geprellte Anleger und den Verbleib großer Mengen des Edelmetalls: Seit Anfang Dezember 2020 müssen sich vor dem Landgericht Darmstadt der frühere Geschäftsführer und der Ex-Chef der Vertriebsfirma des Goldhändlers PIM aus dem hessischen Heusenstamm wegen schweren Betruges verantworten. Ein langwieriges und aufwendiges Verfahren.

Als der Prozess gegen die 50 und 53 Jahre alten Männer am 8. Dezember begann, waren Verhandlungstage bis in den Juni terminiert. Mittlerweile plant die 9. Strafkammer bis in den Dezember. Nach Gerichtsangaben gab es bislang rund 30 Prozesstage, weitere knapp 30 sollen folgen. Doch nach Ansicht von Prozessbeteiligten werden auch sie nicht reichen.

Verteidigung zweifelt am Zeitplan

„Ich habe den Eindruck, dass keiner genau weiß, wohin das Verfahren treibt“, sagt die Anwältin des 50-jährigen Ex-Geschäftsführers, Stefanie Schott. Die Zeit bis Dezember wird ihrer Auffassung nach nicht genügen. Und auch der Verteidiger des Mitangeklagten, Marcus Traut, glaubt nicht, dass man mit den geplanten Verhandlungsterminen auskommen wird.

Die mutmaßlichen Opfer der wahrscheinlichen Masche lösten Bausparverträge oder Lebensversicherungen auf, machten Finanzmittel mit Haus- oder Unternehmensverkäufen locker, auch Geld aus Erbschaften oder Rücklagen für die Altersvorsorge – in der 226 Seiten umfassenden Anklageschrift schildert die Staatsanwaltschaft, wie die Investoren aus ihrer Sicht um ihr Geld geprellt worden sind. Das Unternehmen soll zwischen 2016 und September 2019 mit Kunden Lieferverträge einschließlich Bonusversprechen über Gold abgeschlossen, diese dann aber nicht erfüllt haben. Zinsen sollen nach einer Art Schneeballsystem mit Geld neu angeworbener Kunden ausgezahlt worden sein.

Rund 140 Zeugen sind geladen

„Bislang sind nur Zeugen vernommen worden und wir wissen überhaupt nicht, über welchen Schaden wir sprechen“, sagt Schott. Die Verteidigung habe bislang noch keine Beweisanträge gestellt. Nach Angaben von Landgerichtssprecher Jan Helmrich wurden bislang rund 60 Zeugen gehört. Rund 140 sind geladen worden.

Darunter ist auch der Mann, der mit seiner Anzeige im Mai 2017 das Verfahren ins Rollen brachte. Eigentlich sollte er an diesem Donnerstag gehört werden, seine Vernehmung wurde aber auf Ende August verschoben. Laut Schott war er früher selbst Mitarbeiter der PIM Gold GmbH. Was ist von seiner Aussage zu erwarten? „Darüber will ich vor der Vernehmung des Zeugen ungern reden“, sagt Traut.

Durchsuchung gut zwei Jahre nach erster Anzeige

Gut zwei Jahre nach der Anzeige, im Juli 2019, wurden die Räume der Firma erstmals durchsucht. Aufgrund der Ermittlungen wurde ein Haftbefehl gegen den Geschäftsführer vollstreckt, der seither in Untersuchungshaft sitzt. PIM musste den Geschäftsbetrieb einstellen und beantragte ein Insolvenzverfahren. Der 50-jährige Angeklagte sitzt wegen des Prozesses und der daraus resultierenden Quarantänebestimmungen aufgrund der Corona-Pandemie überwiegend in Einzelhaft und darf am Tag eine Stunde in den Hof. „Wir haben schon mehrfach versucht, ihn aus der Haft zu bekommen“, sagt Schott.

Auch wenn für Verteidigerin Schott unklar ist, um welchen Schaden es in dem Verfahren geht, so hat der Insolvenzverwalter Renald Metoja in dem Prozess seine Auffassung von der Dimension geschildert. „Es hätten drei Tonnen da sein müssen“, sagte er Anfang Juli über die Mengen Gold, die nach den Verträgen hätten eingelagert sein müssen.

Gefunden worden seien 2019 rund 270 Kilo Feingold und rund 180 Kilo Schmuck. Es gebe bislang berechtigte und geprüfte Forderungen von Anlegern in Höhe von 140 Millionen Euro. Ein Privatdetektiv gehe derzeit Gerüchten nach, Mitarbeiter von PIM hätten möglicherweise Edelmetall in die eigene Tasche verschwinden lassen. Die beiden Angeklagten schweigen bislang vor Gericht zu den Vorwürfen.

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