Bahnverkehr Verspätete Züge kosten die Bahn viel Geld
92,5 Prozent der Züge der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) fuhren im vergangenen Jahr pünktlich. Dieser Wert lag exakt auf Vorjahresniveau. Dabei verschlechterte sich die Situation im zweiten Halbjahr allerdings etwas. Anfang September 2023 hatten die SBB noch von Rekord- Pünktlichkeitswerten im ersten Halbjahr berichtet. Im Vergleich zu 2022 wurde der Wert um 0,5 Prozentpunkte auf 93,6 Prozent gesteigert und das trotz eines Passagierrekords. Dieser Wert konnte jedoch wegen diverser Probleme im zweiten Halbjahr nicht gehalten werden; immerhin gelang es aber im Gesamtjahr, erneut den Vorjahreswert zu erreichen. In der SBB-Statistik wird ein Zug bereits ab drei Minuten Abweichung vom Fahrplan als verspätet gewertet, in der DB-Statistik erst ab sechs Minuten.
Dennoch waren bei der Deutschen Bahn (DB) besonders im Fernverkehr die Werte 2023 noch schlechter als die schon außergewöhnlich schlechten Zahlen des Vorjahres. Der Anteil der pünktlichen Fernzüge sank 2023 von 65,2 Prozent im Vorjahr auf 64 Prozent; 36 Prozent der Fernzüge hatten also mehr als fünf Minuten Verspätung. Im Nahverkehr betrug dieser Anteil 9 Prozent. Für den DB-Personenverkehr insgesamt ergab sich, weil es sehr viel mehr Nah- als Fernverkehrszüge gibt, ein Anteil der pünktlichen Züge von 90,2 Prozent.
DB muss Rekordsumme an Entschädigungen zahlen
Die DB hat ihren Kunden wegen unpünktlicher Züge 2023 eine Rekordsumme an Entschädigungen gezahlt. Laut DB spielten dabei Baustellen, Unwetter und Streiks die wichtigste Rolle. Das Geld fehle nun für die dringend notwendige Modernisierung. Die DB bearbeitete 2023 rund 5,6 Millionen Entschädigungsanträge und zahlte Kunden insgesamt 132,8 Millionen Euro, im Jahr zuvor waren es 92,7 Millionen Euro. Die wichtigsten Gründe für den Anstieg waren laut DB eine im Vergleich zum Vorjahr deutlich höhere Anzahl von Reisenden, eine Rekordzahl an kurzfristigen Baustellen und die Wintereinbrüche im Dezember. Auch die insgesamt vier Warnstreiks der beiden Gewerkschaften EVG und GDL spielten eine Rolle.
Laut Daten des unabhängigen Portals zugfinder.de, die das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ ausgewertet hat, sind 2023 rund 4 Prozent der Fernzughalte ausgefallen, dieser Wert lag etwas niedriger als im Vorjahr mit 5 Prozent. Ausgefallene Züge gehen nicht in die Pünktlichkeitsstatistik ein.
Als ein wichtiger Grund für die im europäischen Vergleich schlechten Pünktlichkeitswerte in Deutschland gelten Mängel im DB-Schienennetz. Zahlen für 2023 liegen dazu noch nicht vor. Allerdings verdeutlichen Daten aus dem Vorjahr einen Negativ-Trend.
Der Zustand des deutschen Schienennetzes hat sich demnach im Jahr 2022 weiter verschlechtert. Die Deutsche Bahn (DB) gibt der eigenen Infrastruktur eine Note von 3,01, wie aus dem jüngsten Netzzustandsbericht hervorgeht, den die neue Bahn-Gesellschaft InfraGo kürzlich veröffentlichte.
Im Jahr zuvor lag die Note bei 2,93. Nach der gleichen Methodik kam das Netz der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) damals auf die Note 2,1, das der SBB auf 1,9. Mehr als die Hälfte des bewerteten DB-Netzportfolios habe sich in mittelmäßigem, schlechtem oder mangelhaftem Zustand befunden, heißt es in dem Bericht. „Der Zustand der Schieneninfrastruktur hat sich in den vergangenen Jahren verschlechtert, da nicht ausreichend Mittel zur Verfügung standen, um genügend Anlagen zu erneuern“, schreibt InfraGo-Chef Philipp Nagl.
Besonders anfällig waren die Strecken mit höchster Auslastung, die für Stabilität und Pünktlichkeit im gesamten Netz besonders wichtig sind. Dieser Teil der Infrastruktur umfasst rund 3500 Streckenkilometer, was etwa 10 Prozent des gesamten Streckennetzes entspricht. Für diesen Bereich vergibt die DB nur eine Note von 3,15. Insbesondere Gleise und Weichen sind dort in einem schlechteren Zustand als im übrigen Netz. Mehr als ein Viertel der Gleise müsste mittelfristig erneuert werden.
Mit der Generalsanierung Dutzender hochbelasteter Strecken will die DB die Probleme in den kommenden Jahren angehen. Start ist im Juli auf der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Für rund fünf Monate soll sie vollständig gesperrt und grundlegend modernisiert werden. Im Jahr darauf ist die Strecke Berlin–Hamburg an der Reihe.
Die Grünen fordern trotz Haushaltskrise mehr Geld für die Bahn – finanziert mit Krediten. „Der Nachholbedarf des Netzes beträgt jetzt 90,3 Milliarden Euro“, sagte der bahnpolitische Sprecher, Matthias Gastel, dem „Tagesspiegel“. „Das ist mit dem regulären Haushalt nicht zu leisten.“ Für den Neu- und Ausbau von Bahnstrecken schlägt Gastel einen mehrjährigen Schienenfonds nach österreichischem Vorbild vor – und damit auch eine zusätzliche Verschuldung des Bundes. Für die Sanierung kann er sich vorstellen, das DB-Eigenkapital zu erhöhen.