Bahnverkehr Neuer Anlauf für Pfälzer Bahn-Ausbau

Als Regional-Express von Kaiserslautern über Neustadt und Landau nach Karlsruhe fahren derzeit noch Dieseltriebwagen, die ab End
Als Regional-Express von Kaiserslautern über Neustadt und Landau nach Karlsruhe fahren derzeit noch Dieseltriebwagen, die ab Ende 2025 von neuen Akku-Hybrid-Fahrzeugen abgelöst werden sollen. Mittel- und langfristig gilt aber eine Leitungselektrifizierung als die beste Lösung.

Die Elektrifizierung der Bahnstrecke von Neustadt über Landau nach Wörth steht seit Jahren auf der politischen Agenda. Auf einen 2018 schon einmal verkündeten Durchbruch folgte später Ernüchterung. Nun gibt es überraschend eine neue Perspektive. Wie kam es dazu und wie könnte es jetzt weitergehen?

Der Bundestag hat am 20. Oktober das Beschleunigungsgesetz beschlossen, mit dem mehr Tempo in die Modernisierung des Schienennetzes kommen soll. Bei der parlamentarischen Beratung wurde eine Liste von zehn Projekten eingefügt, die nun als „Vorhaben des Potenziellen Bedarfs“ gelten. Dazu gehören auch zwei Strecken in der Pfalz, nämlich die Abschnitte von Bingen nach Hochspeyer bei Kaiserslautern und von Neustadt über Landau nach Wörth. Dabei geht es vor allem um die Elektrifizierung der beiden Strecken. Zusammen mit dem bereits seit 1964 elektrifizierten Abschnitt von Hochspeyer nach Neustadt ergäbe sich so eine neue elektrifizierte Verbindung aus dem Mittelrheintal nach Karlsruhe, auf der der Rhein-Neckar-Raum umfahren werden könnte. Dass die beiden Pfälzer Strecken in der Liste auftauchen, ist wohl nicht zuletzt das Verdienst des Ludwigshafener SPD-Bundestagsabgeordneten Christian Schreider, der Mitglied im Verkehrsausschuss und in seiner Fraktion Berichterstatter für den Schienenverkehr ist. Auch unabhängig von regionalpatriotischen Überlegungen gilt die Elektrifizierung der beiden Strecken in der Bahnbranche als hochgradig sinnvoll.

Südpfälzer Projekt 2021 nur ganz knapp gescheitert

Beide Strecken waren auch für das Ausbauprogramm „Elektrische Güterbahn“ angemeldet, verfehlten aber in der vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegebenen Untersuchung 2021 den erforderlichen Nutzen-Kosten-Wert – die Strecke von Neustadt nach Wörth allerdings nur ganz knapp. Sie erreichte zwar nicht den erforderlichen Wert von über 1, kam aber immerhin auf 0,96. Genau den gleichen Wert erreichte bei dieser Untersuchung die für den Wilhelmshavener Jade-Weser-Port interessante Strecke von Oldenburg nach Osnabrück. Diese Strecke steht nun ebenfalls auf der Liste der zehn Projekte, die der Verkehrsausschuss noch in dem Beschleunigungsgesetz untergebracht hat. Es besteht wohl Grund zur Hoffnung, dass bei einer neuen Nutzen-Kosten-Untersuchung, bei der Klimaschutzfaktoren höher als bisher gewichtet werden, die beiden Projekte Neustadt–Wörth und Oldenburg–Osnabrück einen Wert von über 1 erreichen würden. Die Projekte haben gemeinsam, dass eine Elektrifizierung große Vorteile auch für den regionalen Personenverkehr bringen würde.

Die Alsenzbahn von Bingen nach Hochspeyer kam bei der Untersuchung für das Bundesverkehrsministeriums 2021 nur auf einen Wert von 0,14, der sich aber vor allem durch eine Reihe fragwürdiger Vorab-Annahmen erklärte, die den Verdacht nahe legten, dass ein positives Ergebnis eher unerwünscht war. Besonders grotesk war eine Passage, laut der „die technische Umsetzbarkeit einer Elektrifizierung mit Oberleitung“ wegen vier (relativ kurzen) Tunneln „kritisch zu betrachten“ sei. Wenn die Deutsche Bundesbahn Anfang der 1960er-Jahre mit dieser Einstellung an die Strecke von Neustadt nach Kaiserslautern herangegangen wäre, die sehr viel mehr Tunnel aufweist, wäre die Strecke durch den Pfälzerwald, über die nun der ICE von Frankfurt nach Paris fährt, heute wohl noch immer nicht elektrifiziert.

Die Relevanz der Alsenzbahn als Ausweichstrecke für den Güterverkehr wird im kommenden Jahr eher unfreiwillig demonstriert, wenn monatelang die Riedbahn von Mannheim nach Frankfurt wegen einer Generalsanierung gesperrt wird. Dann wird ein Teil des Güterverkehrs über die Alsenzbahn umgeleitet.

DB Netz stellt Dieselloks für Alsenzbahn-Umleitung

Erstmals wird dabei DB Netz als Infrastrukturbetreiber Dieselloks zur Verfügung stellen, die Güterzüge samt ihrer E-Lok über den stromlosen Abschnitt schleppen. Der Anblick dieser Züge dürfte eine gute Visualisierung der Elektrifizierungslücke sein.

Alle früheren Anläufe für eine Elektrifizierung der Alsenzbahn sind im Sande verlaufen, sie hatten aber immerhin den Effekt, dass Pläne für eine Demontage des zweiten Streckengleises nicht umgesetzt wurden. Die Strecke ist weiterhin durchgehend zweigleisig von Bad Münster bis Enkenbach, das zweite Gleis fehlt lediglich auf dem Abschnitt zwischen Enkenbach und Hochspeyer, der sich über die in den 1990er- Jahren reaktivierte Strecke von Enkenbach über Eselsfürth nach Kaiserslautern umfahren lässt. Dagegen gibt es auf der Strecke von Neustadt nach Wörth ein eingleisiges Nadelöhr zwischen Winden und Wörth.

Wenn es nun schlecht läuft, bleibt die Aufnahme in die Zehn-Projekte-Liste des Beschleunigungsgesetzes für die beiden Pfälzer Strecken allerdings ebenso ohne konkrete Folgen wie die 2018 schon von Südpfälzer Bundestagsabgeordneten als Durchbruch gefeierte Aufführung des Elektrifizierungsprojekts Neustadt–Wörth im Bundeshaushalt.

Große Lücke zwischen Ziel und Realität

Gedacht ist die Initiative aber wohl als Anstoß, in absehbarer Zeit eine neue Nutzen-Kosten-Untersuchung für die beiden Strecken in Auftrag zu geben, die dann bei einem positiven Ergebnis in die Kategorie „vordringlicher Bedarf“ aufrücken könnten. Dies wäre die Voraussetzung für eine Umsetzung in absehbarer Zeit. Allerdings würde damit der Berg von Projekten weiter wachsen, die im „vordringlichen Bedarf“ des Bundesverkehrswegeplans stehen, ohne dass es eine konkrete Finanzierungsperspektive gibt.

Denkbar ist auch eine Finanzierung über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Dies geschieht beispielsweise bei der Reaktivierung und Elektrifizierung der Strecke von Homburg nach Zweibrücken.

Beim Thema Bahn-Elektrifizierung klaffen die verkündeten Ziele und die Realität besonders stark auseinander. 2018 vereinbarte die damalige Koalition aus Union und SPD das Ziel, den Anteil der elektrifizierten Strecken bis 2025 von rund 60 auf 70 Prozent zu steigern. Unter dem damaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wurde allerdings wenig unternommen, um diesem Ziel näher zu kommen. Bei der Bildung der Ampelkoalition einigten sich SPD, Grüne und FDP deshalb 2021 darauf, als Zieljahr erst 2030 anzupeilen, das Ziel aber von 70 auf 75 Prozent anzuheben. Um den Zielwert zu erreichen, wäre nach Berechnungen der Organisation „Allianz pro Schiene“ jährlich eine Erweiterung des elektrifizierten Netzes um etwa 550 Kilometer nötig. Im laufenden Jahr wächst das elektrisch betriebene Netz um ganze 13 Kilometer, im kommenden Jahr dann aller Voraussicht nach um exakt null Kilometer.

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