Wirtschaft Leitartikel: Faktor Saarland

Es pendeln deutlich mehr Pfälzer zur Arbeit ins Saarland als umgekehrt. Schon allein deshalb ist die Saar-Wirtschaft ein Faktor für die Pfalz. In acht Tagen wird ein neuer Landtag gewählt. Die Wahl geht auch die Region an. Die nächste Regierung muss Sorge tragen, dass im Autoland Saarland die

Autos der Zukunft gebaut werden.

Wer, kommt die Sprache auf die saarländische Wirtschaft, nur an Lyoner oder Biere aus dem saarpfälzischen Homburg denkt, denkt zu kurz. Qualitätsprodukte von der Saar, das sind Keramiken aus Mettlach von Villeroy & Boch, die Ford-Automobile aus Saarlouis, Pipeline-Rohre und Brückenstahl der Dillinger Hütte und Elektroverteilerschränke von Hager in Blieskastel. Aber auch 350 Millionen Tiefkühlpizzen, die das Werk von Wagner-Nestlé in Braunshausen alljährlich verlassen oder etwa die von Musiklegenden wie Paul McCartney und Kiss geschätzten Gitarren-Verstärker und Lautsprecheranlagen Marke Hughes & Kettner aus Sankt Wendel. Das Saarland ist heute nicht mehr Kohleland (die letzte Grube wurde 2012 geschlossen), aber noch Stahlland mit wichtigen regionalen Abnehmern. 45.000 Menschen arbeiten in der Automobilzulieferer-Industrie, ein Fünftel aller sozialversicherungspflichtigen Jobs im Saarland hängt am Auto. Zu Bosch ins Dieselwerk, zu Schaeffler, zur Kurbelwellenschmiede von Thyssen-Krupp-Gerlach oder zum Reifenwerk von Michelin in Homburg drängen jeden Morgen 12.000 westpfälzische Arbeitnehmer. Die attraktiven Jobs in der Automobilindustrie sind der Grund dafür, weshalb knapp 10.000 (Rheinland-) Pfälzer mehr Arbeit im Saarland finden als Saarländer in Rheinland-Pfalz. 16.800 Saarländer sind Angestellte bei uns, 26.700 Rheinland-Pfälzer im Saarland. Alleine im Saarpfalz-Kreis finden 4000 Beschäftigte aus dem Kreis Kusel, 2500 aus der Südwestpfalz, 2700 Zweibrücker und 1750 aus dem Kreis Kaiserslautern ihr Einkommen. Die hohe Abhängigkeit der saarländischen Automobilindustrie, des Industrielandes Saar überhaupt, vom Verbrennungsmotor als Antriebskonzept verdeutlicht aber auch die Gefahren. Der Übergang zum Elektromotor stellt die Wirtschaftspolitik des Landes vor extreme Herausforderungen. Die existenzielle Frage lautet: Wird das Auto der Zukunft noch im Saarland gefertigt? Wenn der Technologie-Wechsel nicht gelingt, steht unser Nachbar vor einer Strukturkrise wie in den 80er-Jahren, als in kurzer Zeit Zehntausende Jobs in Stahlhütten und Kohlegruben verloren gingen und das Saarland zu Rettungsmaßnahmen zwangen, die zur vom Bundesverfassungsgericht festgestellten unverschuldeten Haushaltsnotlage führten. Das Saarland ist pro Kopf das am höchsten verschuldete deutsche Flächenland. Daran ändert auch der Erfolg der amtierenden Großen Koalition aus CDU und SPD im vergangenen Jahr bei den Bund-Länder-Finanzverhandlungen nichts. Von 2020 an fließen 500 Millionen Euro jährlich dem Saarland zu. Angesichts von 14,5 Milliarden Euro Landesschulden wird die Entschuldung gleichwohl zum Jahrhundert-Projekt. In einer Woche, am 26. März, wird im Saarland ein neuer Landtag gewählt. Die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik war zwischen CDU und SPD, die entweder mit der Amtsinhaberin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) oder der derzeitigen Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) die nächste Ministerpräsidentin stellen werden, kein Konfliktthema. Einig ist man im Ziel, die vierte industrielle Revolution mit dem Ausbau der Digitalnetze im Land und mit Bildung, von der schulischen über die universitäre bis zur beruflichen Weiterbildung, begleiten zu müssen. Einzig die bislang dritte politische Kraft im Lande, die Linke, fordert mit Oskar Lafontaine vehement eine neue industrielle Leitinvestition. Ein schlüssiges Konzept steht nicht dahinter. Worum es geht, ist, den industriellen Kern des Saarlandes zu sichern – auch im Interesse Zehntausender Pfälzer.

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